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von Kindern hört. Es zeigte sich aber, daß eine Repetition desselben hoch von Nöten sei. Ich möchte es gerne machen wie Luther und alle Tage den Katechismus aufsagen. Ein fernerer Unterrichtsgegenstand in diesem Semester wird biblische Einleitung sein. – In den Wochengottesdiensten werden die Propheten gelesen; wir müssen nebenbei fleißig die Geschichte des Alten Testamentes studieren, weil sonst die Propheten ja nicht verstanden werden können. – Und nun noch etwas: unser lieber Herr Pfarrer hält täglich den Abendgottesdienst, ißt bei uns und erzählt uns Heiligen- und Märtyrergeschichten und redet sonst bei Tisch noch viel schöne, belehrende Worte.

 O liebste Mutter, ich bin doch ein recht reiches, glückliches Kind! O, wenn nur die Sünde nicht immer wieder das Glück trübte! ...Ich befehle mich zu wiederholten Malen Ihrer fleißigen Fürbitte.

 Heute Nachmittag handelte die Christenlehre von den „letzten Dingen“. Es wurde viel vom antichristischen Reich geredet, von der furchtbaren Zeit, von den schrecklichen Verfolgungen, von der greulichen Macht des Teufels. Es ist wirklich ganz unbegreiflich, wie man so sorglos leben kann, da diese schreckliche Zeit vielleicht gar nicht mehr fern ist.

 ...Ich danke noch einmal für alle mir in den Ferien erwiesene Liebe und bleibe

Ihre dankbare Therese.


An die Mutter.
Neuendettelsau, den 21. November 1856

 Herzlich geliebte Mutter, der Herr Jesus schenke Ihnen seinen Frieden im reichen Maße! Erst zwei Tage nach Ihrem Geburtstag komme ich dazu, Ihnen zu schreiben. Ich hoffe, daß Sie auch jetzt noch meinen herzlichen Glückwunsch zu demselben annehmen werden. Ich habe mir vorgenommen, Ihnen den Spruch zuzurufen: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft.“ Und als ich diesen Abend anfangen wollte zu schreiben, da kam mir dieser Briefbogen unter die Hände, der gerade diesen Spruch zur Überschrift hat. Ja, mit neuer Kraft möge Sie der Herr ausrüsten, neue Stärke möge er Ihnen schenken, durch dies Jammertal getrost und freudig

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Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/54&oldid=- (Version vom 24.10.2016)