Seite:Ueber oberschwäbische Orts- und Familiennamen.pdf/2

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

schwarzes Vieh, der Donauschwabe, gleich seinen Vettern auf der Alb und im Unterland, rothes oder gelbes Vieh u. s. w.

Da mir urkundliches Material nur für den württembergischen Antheil an Oberschwaben zu Gebot steht, wird sich meine Rundschau vornehmlich nur mit Namen befassen, die auf württ. Gebiet zu finden sind.

Bei dem ersten Blick auf die Karte des algäuischen Oberlandes springt uns sofort eine ungemeine Fülle von Ortsnamen in die Augen. Da sind Gemeindebezirke, die wie Herlazhofen 36 Parzellen zählen, ja selbst 98 wie Bodnegg und 109 wie Pfärrich, alle mit besonderen Eigennamen versehen. Dann überrascht uns neben der Fülle eine befremdliche Buntheit der Namen, die bisweilen an slawische und romanische Ortsnamen anklingen, obgleich sie gut alemannisch sind. Ich erinnere an: Boflitz, Sederlitz, Wammeritz, Hergaz, Achams, Rauns u. s. w. Daneben findet man eine Reihe splitternackter Geschlechtsnamen als Ortsnamen verwendet, wie z. B. Allgaier, Poppenmaier, Spiegler u. s. w., oder solche Familiennamen im Genitiv und Dativ (Lokativ), wie Siggen, Heißen, Bauzen u. s. w. Dazu kommen noch welche in der Gestalt ganz gewöhnlicher, bäuerlicher Hausnamen, wie sie jedes Dorf in Menge bietet, wie z. B. die in den Staatshandbüchern aufgeführten Ortsparzellen: Schlappersjörg, Schuhjoggens, Schuhsimmis, Schuhjörg u. s. w. Eine ältere Klasse von Ortsnamen stellen den genitivischen Lokativ dar von alten Personennamen, wie: Harbrechts, Gopprechts, Ruprechts, Dietmanns, Eglofs u. s. w. Von den aus einem Grund- und Bestimmungswort bestehenden Ortsnamen herrschen die auf –wang, wangen, –au, –moos, –ried, –hofen und –weiler endigenden weitaus vor. Ich nenne: Aulwangen, Apfeldrang, Aiterwang, Balderschwang, Bernang, Bolsterlang (2 mal), Burkwang, Dirlewang, Ellwangen, Escherwang, Haldenwang, Hawangen, Hinterwang, Hinzwang, Hüttenwang, Ketterschwang, Lehrwangen, Lengenwang, Murrwangen, Niederwangen, Nesselwang, Ofterschwang, Otterswang, Pinzwang, Söllang, Tettnang u. s. w. Dann: Argenau, Grünau, Hirschau, Lingenau, Mellau, Martenau, Schnepfau, Schopperau im Wald. Ferner die vielen –moos, besonders um Wangen, als: Biggenmoos, Fildenmoos, Freurenmoos, Höllenmoos, Kerlenmoos, Kehlismoos, Ottomoos, Pfauenmoos, Rohrmoos, Röhrenmoos, Rolgenmoos, Tegernmoos, Wuchermoos u. s. w. Ferner Altusried, Dietmannsried, Eggmannsried, Frankenried, Friesenried, Natrumriet, Ollarzried, Reicholdsried, Russenried, Sachsenried, Winterried, Waffenried, Wallmusried, Wielandsried u. s. w. Dann in der alten freien Bürsch (J. 1388 die purs, J. 1391 die piers, J. 1370 in der gebursse u. s. w.) um Leutkirch: Almishofen, Betelhofen, Doberatshofen, Engerazhofen, Uttenhofen, Merazhofen, Leuzenhofen, Herlazhofen, Wolfertshofen, Sundhofen, Aderazhofen, Tautenhofen, Balderazhofen, Wielatshofen, Niederhofen, Isebrazhofen, Lanzenhofen, Ebrazhofen u. s. w. Endlich die auf –weiler, wie Dabetsweiler, Dametsweiler, Furatsweiler, Mehetsweiler, Torkenweiler, Wechsetsweiler u. s. w. – Die auf –reute finden sich meist auf dem Boden des ehemaligen Reichsforstes von Altdorf-Weingarten. In dem algäuischen Ortsnamenkaleidoskop vermißt man sehr das öftere Vorkommen der alten Grundwörter –dorf, –heim, –ingen. Sie sind je nur in einigen wenigen Beispielen vertreten. Von vordeutschen Orts- und Flurnamen sind blos noch sparsame Überbleibsel vorhanden. Von den Ortsnamen die wenigen der Peutingerschen Tafel und selbst diese stehen theilweise in Verdacht aus dem Germanischen ins Romanische umgeprägt worden zu sein.

Die Ortsnamen auf –heim tauchen bekanntlich schon im 1. u. 2. Jhdt. auf, die auf –ingen nur um weniges später, die auf –dorf erst im 7. Jhdt. Das läßt vermuthen, daß die größere Anzahl der alten Ortsnamen des Algäus ziemlich spät, vielleicht erst nach dem 7. Jahrhundert entstanden ist. Leider sind positive Beweise nicht zu geben. Doch möchte ich ein paar Data anführen, die in jene dunkle Vorzeit einigermaßen ein Streiflicht werfen. Im J. 773 hinterläßt ein gewisser Hatto den Ort Haddinwilare, Hatzenweiler (Neug. Nr. 54). Im J. 834 schenkt ein gewisser Engilpert alles was er in Engilpertisriuti besitzt. Neugart. Ferner schenkt im J. 838 ein Pato was er in Patinhova (Bettighofen) besitzt. Wartmann, St. Gall. U. I, 346. Im J. 839 ein Patacho alles was er zu Patahinwilare (Bettenweiler) besitzt. ib. I, 355. Aus diesen Beispielen erhellt, daß die Schenker den Bestimmungsnamen ihres Wohnortes tragen, mit anderen Worten, daß die Entstehung dieser Ortsnamen in das 8. und 9. Jhdt. fällt.

Empfohlene Zitierweise:
Michel Buck: Ueber oberschwäbische Orts- und Familiennamen. Wagner’sche Buchdruckerei in Ulm, Ulm 1872, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_oberschw%C3%A4bische_Orts-_und_Familiennamen.pdf/2&oldid=- (Version vom 27.2.2024)