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Eine sehr bedeutende Zahl oberschwäbischer Ortsnamen besteht lediglich nur aus gemeinen Flurnamen, z. B. Ösch, Halden, Schmalzgrub etc., was für kein sehr hohes Alter derselben spricht.

Viele oberschwäbische Wohnorte, besonders Höfe, haben im Lauf der Zeit ihre Namen zumn öftern gewechselt. Dies scheint mir nach dem zu schließen, was ich in den Freisinger und St. Emmeramer Urkunden des 7., 8., 9. und 10. Jhdt. gefunden habe, uralter Brauch zu sein. Der neue Besitzer heftet dem neuerworbenen Besitz seinen neuen Namen auf. Auch jetzt ist die Neigung, die Namen der Höfe mit den Besitzern zu ändern, in Oberschwaben noch nicht ausgestorben. Daß Namensänderungen nur noch schwer durchzuführen sind, dafür haben die modernen festen Staatsverhältnisse Sorge getragen.

Kißlegg hieß z. B. noch im J. 1420 Zell. Seinen jetzigen Namen entlehnte es von einer benachbarten Ruine. Ratzenried hieß noch im 17. Jhdt. Wetzelried. Neuhaus O/A. Wangen hieß vor Zeiten Niuuesulzberg; Mooshausen (1329) Mosbrughusen; der Hof Rahlen vor dem J. 1525 Herbisreute; Thunau ist seit 1728 nach einer Gräfin von Thun zubenannt, früher hieß es Ettenried. Mechensee verlor im J. 1786 seinen alten Namen und wird nun Neu-Trauchburg genannt. Der Hof Hartmann hieß ehedem Romisbach, der Hof Mehlis Münchried, der Hof Lohren Sahlen; Buchhorn ward erst in unserem Jahrhundert zu Friedrichshafen. Der Weiler Geblisberg wird häufig auch Schweizerhöfe genannt. Ich finde im Aulendorfer Pfarrzehntbuch von 1650, daß ihn im J. 1606 ein Peter Schweizer besaß. Münchenreute heißt im Voksmund Mühlenreute, Hohreute Rothhalden, Laubeck heißt auch Arnholz. Der Hof Poppenmaier steht nur im Staatshandbuch, die Umwohner wissen nichts von ihm, sie nennen ihn Straßer, nach dem gegenwärtigen Besitzer. So ließ sich diese Liste in’s Beliebige verlängern.

Von den Namen, die einen befremdlichen Klang haben, stehen die auf –itz obenan[1] Ich nenne Boflitz, Burgelitz, Edelitz, Engelitz, Elitz, Göritz, Hugelitz, Kadlitz, Leritz, Sederlitz und Wammeritz. Im Weissenauer Schenkungskodex von 1209 heißt Sederlitz Sadirlinswilare. Ebenso in einer Urk. v. 1219 (Kausler, W. U. 3, 78). Im Chron. Isnens. bei Heß Monum. Guelf. S. 285 heißt der Ort Sardirliniswilare. Wir sehen hieraus, daß das Grundwort wilare inzwischen verloren gieng und der Genitiv des einstigen Besitzernamens geblieben ist. Sederliz ist Sedirlins. Das z ist nur das Werk der scharfen alemannischen Aussprache. Der Oberländer sagt auch nie Schmieds, sondern Schmitz. Die Landwaibelamtsrechnung der Landvogtei Oberschwaben von 1684 schreibt unsern Ortsnamen Schederlinß. Schederlin ist ein alter Waldseer und Ravensburger Familienname. Jetzt sitzen die Schäderlin als Schätterle zu Wernsreute bei Ravensburg. Sie sind die Erben des altalemannischen Personennamens Sadirlin. Er ist offenbar ein Diminutiv auf –lin zu Sadir, Sadar. Im Habsthaler Urbar v. 1420 ist auch dieser Name als Satthar zu finden. Die erste Wurzel Sat, findet sich in dem Namen Satan (z. B. in Satanasinga), in Satto z. B. Sattinhaldun, Sattinburin, ersteres einst bei Riedlingen, letzteres das heutige Sattenbeuren bei Schussenried. Sat ward zu schat, wie das alte sarf zum jetzigen scharf geworden ist.

Boflitz läßt sich an dem Beispiel des jetzigen Weilernamens Oflings erklären. Nur daß hier das anschlagende W nicht in B verwandelt wurde, sondern ganz wegfiel, es hieß nämlich im J. 1510 zum Wolflitz. Daneben findet sich dieser Name noch geschrieben: Wolflings, Wofflitz und Wufflitz.


  1. Diese genitivischen Ellipsen finden sich auch bei den Geschlechtsnamen wieder, wo man Sohn hinzudenken muß. Z. B. J. 1387 Claus Burkartz; Geschfrd. 20, 231. Claus Einritze; ib. Heinrich Gerinen. Jenni Gegoryen. Uli Annen. Zuweilen sind diese genitiv. Ellipsen der Familennamen aus Ortsnamen entstanden, die im Lokativ standen. Übergänge dieser Art bilden z. B. die Namen: Jenni am Engelhartz (1413): Geschichtsfr. 20 a, Jost im Geretz ib. 2, 104. Von solchen im Lokativ stehenden Personenortsnamen werden auch wieder Geschlechtsnamen gebildet z. B. 15. Jhdt. Eucharius Liebetzer; Geschichtsfrd. 24, 99. Selbst der alte Ulmer Butiezzus scheint mir nur ein latinisierter Butiezer zu sein, zu dem Dorf Butizen bei Schübelbach in der Schweiz, und zu dem dortherum im J. 1371 genannten Familiennamen Buti gehörig. Vgl. Geschichtsfreund 22, 266, wo von Jenni Buti, von butez kind und Butez hofstetten die Rede ist. – Catalog. Dioeces. Constant. de 1799. pag. 137. –
Empfohlene Zitierweise:
Michel Buck: Ueber oberschwäbische Orts- und Familiennamen. Wagner’sche Buchdruckerei in Ulm, Ulm 1872, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_oberschw%C3%A4bische_Orts-_und_Familiennamen.pdf/3&oldid=- (Version vom 27.2.2024)