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Aber es gibt noch einen unmittelbareren Zusammenhang zwischen jetzt lebenden Familien und einer Reihe von oberschwäbischen Ortsnamen. Eine große, nach Hunderten zählende Menge von Höfen trägt geradezu den Familiennamen einstiger oder jetzt noch darauf lebender Besitzer. Man kann diese Gattung von Namen bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen. So verkaufen z. B. die Gebrüder Spacher im J. 1291 ihren Hof Spachen, jetzt Schachen. Eine Familie Spach gibt es gegenwärtig im Elsaß. Hier werden freilich am Ende die Brüder den Namen vom Hofe erhalten haben, ähnlich wie die noch lebende Familie Spinnenhirn den ihrigen von dem uralten Weiler Spinnenhirn bei Ravensburg. (Eine Flur Spinnenhirn findet sich wieder im Unterland auf der Markung Heumaden. Vgl. die Flurnamen: Bissenhirn, Steinhirn, Katzenhirn, Hirnberg, Hirn u. s. w.

Die Hofnamen, welche aus Familiennamen entstanden sind, stehen in der Regel im Genitiv oder im Dativ (Lokativ). Im letzteren Falle pflegt man heute noch zu sagen: zum N. N. z. B. zum Lohrer, zum Faßmacher, zum Multer etc. An vielen algäuischen Ortsnamen ist das m der Präposition hängen geblieben, so daß dort Ortsnamen mit einem m anfangen, das ihnen gar nicht gehört. Eglofs z. B. heißt im Volksmund Meglitz, weil der gemeine Mann ursprünglich zum Eglofs sagte. Merhardshofen ist entstanden aus zum Erhardshofen, Madelharz aus: zum Adelhard, Melbrechts, wie schon erwähnt, aus: Zum Edelbrecht, Melitz aus: zum Elitz u. s. w.

Hofnamen dieser Gattung im Genitiv sind z. B.: a) der s Deklination: Albers, Herrgotts, Karlis, Möhris zu den noch lebenden Familiennamen: Alber, Herrgott, Karle, Möhre. b) der n Deklination: Biegen, Blöden, Bremen, Fenken, Flammen, Hagen, Haslanden (bei Förstem. 1, 829 der Mannsname Hasland), Kohlhunden (aus dem Mannsnamen und jetzigen oberschw. Familiennamen: Kolhund, wohl aus altem Kailhunt gebildet, vgl. die beglaubigten Madalhunt, Wilhunt etc. Förstem. 1, 762), Klaren, Lohren, Muschen, Mollen, Röschen, Röhren, Rayhen, Reifen, Schnetzen, Schlichten, Sonntagen, Zürnen, zu den noch üppig grünenden oberschwäbischen Familien: Bieg, Blöd, Brem, Fenk, Flamm, Hag, Klar, Lohr, Musch, Moll, Rösch, Röhr, Rayh, Reif, Schnetz, Schlichte, Sonntag, Zürn.

Im Dativ stehen die Hofnamen: Bärtle, Bilger, Butscher, Barabaisch[1], Füßinger, Ganter, Göser, Hecht, Hirscher, Hörnle, Kimpfler, Kiechle, Krebser, Löhle, Rehm, Rueßmaier, Stibi, Schorniggel, Speuenmartin, Schrading, Spinnenhirn, Übelhör, Unwerth, Vogelsang, welche alle zu den entsprechenden noch in der Gegend lebenden Familiennamen gehören. – Fast zu allen im Staatshandbuch aufgeführten derartigen


  1. J. 1740 Barweisch, J. 1741 Barbisch, etwa aus welschem barbaccia? Man darf nicht vergessen, daß Oberschwaben aus den Schrofen des Rhätikon und Bündnerlands nicht allein Gerölle und Findlinge erhalten hat, sondern auch eine lange Reihe von Familiennamen. Noch heute findet aus jenen Gegenden eine stille Zuwanderung statt. Laut unserer Amtsprotokolle wanderten zwischen 1655 und 90 eine Menge von Leuten aus dem Walserthal, Klosterthal, Montafun, aus Bünden und Tirol in die entvölkerten Herrschaften Aulendorf und Königsegg ein. Dasselbe fand natürlich auch in den anderen Ortschaften statt, während die Einheimischen durch Kriegselend und übermäßige Lasten vertrieben nach Ungarn auswanderten. Von welchen Namen, die aus Vorarlberg, Tirol und der Schweiz stammen, nenne ich hier nur einige Beispiele: Bludescher (Ort Bludesch, nach Steub Rhätische Ethnologie S. 92 s. v. a. paludaccies; Bardiller (Ort Pardill, etwa pratello, Steub S. 88); Fornell und Forell (Ort Vornella, Steub 88); Fätscher (Ort Fätsch, fascina, Steub 89); Gamma, Ganitzer (Ort Ganitza, Steub 86); Gantebein (Ort Gantabein, Steub 91); Geschier (Steub 92); Purtscher, Putscher, Butscher (Ort Purtscha, alpa de porce, Steub 94); Ganal (Steub 92); Kattuder (Steub 92); Ludescher (Ort Ludesch); Lorinser (Ort Lorüns); Malanz; Madlenz (Ort mottelines, Madlens); Gawaz (Ort Gawats, Steub 96); Mutscheller (Ort Mutschella, Steub 88); Kantlehner (Ort Cantalein, Steub 101); Kohlreiter (Ort Kolreid, Steub 112) u. s. w. An Barabeisch erinnert der Weiler Barabein bei Biberach, der vielleicht ursprünglich auch ein welscher Familienname ist. (Vgl. barbino der Geizkragen.) – Auch die Ulmer Molfenter sind mir verdächtig, als stamme ihr Name aus den Gebirgen. Im J. 1345 wird zu Gersau in der Schweiz ein heinrich molvand namhaft gemacht, Geschichtsfr. 19, 78 und im 15. Jhdt. finde ich in Ravensburg Molventer. Oder wäre der Name etwa aus Wolfnand entstanden, wie ein alter Sanct Galler Censual heißt? Und stünde Molfenter (Wolfenter) zu Molfent, Wolfent, wie der Familienname Heinricher zu Heinrich?
Empfohlene Zitierweise:
Michel Buck: Ueber oberschwäbische Orts- und Familiennamen. Wagner’sche Buchdruckerei in Ulm, Ulm 1872, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_oberschw%C3%A4bische_Orts-_und_Familiennamen.pdf/8&oldid=- (Version vom 29.2.2024)