feste Grundlage der staatlichen Stabilität bildet. „Sage mir, was du issest und ich sage dir, wer du bist,“ steht als Motto vor dem Buche von Brillat-Savarin über die Physiologie des Geschmackes. Nie hat ein Sterblicher ein wahreres Wort gesprochen; nie aber auch ist der Ausspruch eines Weisen weniger geachtet worden.
Eine Ahnung freilich hatten Viele. Sprach ja sogar Herr Sepp von dem Unterschiede zwischen Wein-, Bier- und Schnapps-Völkern! Man kann wirklich behaupten, daß das Bekenntniß einer physischen Wahrheit unbestritten sein muß, wenn sie sogar in jenen Schichten niederster Geistesthätigkeit, in welchen Herr Sepp wuchert, Wurzel geschlagen hat. Aber die genaueren Nachweise fehlen; die specielleren Studien sind vernachlässigt worden. Nur obenhin hat hie und da ein Literat von weingrünen Herren, von Kartoffelkrankheit des Volkes gesprochen – aber die wissenschaftliche Verfolgung der Erscheinungen im politischen und socialen Gebiete mit Hinblick auf die Nahrung und den Zusammenhang mit derselben ist noch ein neues Feld für künftige Forscher. Diese wissenschaftliche Bearbeitung wird unermeßliche Resultate erzeugen – davon bin ich im Voraus überzeugt – Resultate, welche uns der geträumten glückseligen Zeit näher bringen, den politischen Haß, die Verfolgungslust der Parteien von der Erde verbannen werden. Die Apostasie, der Rückfall, die Böswilligkeit, aristokratische oder revolutionäre Gesinnung und Handlung wird man nicht mehr von dem verschiedenen Standpunkte der Parteien hassen und verfolgen – man wird sie einfach als Resultat der genossenen Nahrung betrachten und durch zweckmäßige Anordnung des Regime’s der Betreffenden ihre Gesinnungsänderung zu erklären oder zu bewirken suchen.
Carl Vogt: Untersuchungen über Thierstaaten. Literarische Anstalt, Frankfurt am Main 1851, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Untersuchungen_%C3%BCber_Thierstaaten-Carl_Vogt-1851.djvu/41&oldid=- (Version vom 1.8.2018)