und ihre Flügel bedeutend kürzer, so daß ihre Bewegungsfähigkeit sehr beschränkt ist. Auch verläßt sie nur höchst selten die Residenz – entweder um ihren Lüsten zu fröhnen oder um einer Nebenbuhlerin zu weichen. Die Drohnen oder die Männchen sind bedeutend größer als die Arbeiterinnen; ihre zusammengesetzten Augen, die nur nach Nahrung und Liebe umschauen, sind so groß, daß sie oben auf dem Kopfe zusammenstoßen, die Flügel lang und breit, die Füße ohne Arbeitsinstrumente, der Leib ohne Waffe.
Die Volkszahl der Staaten ist begränzt. Das Thier weiß, daß eine allzugroße Ausdehnung der Staaten eine schlechte Willkürregierung der unteren Klassen, besonders für die der entfernteren Theile des Reiches bedingt, und daß eine zu bedeutende Vermehrung der Volksmenge Armuth und Hungersnoth in schlechten Jahren herbeiführt. Die konstitutionellen Bienenmonarchien vereinigen deßhalb unter einer Monarchie nur 600–1000 Drohnen und 15–20,000, in seltenen Fällen sogar 30,000 Arbeiter. – Und es gibt Menschen, die einem solchen Zahlenverhältnisse gegenüber noch eine Pairie in einem Staate gründen wollen, wo auf 16 Millionen Arbeitende nur etwa 800 Individuen sich finden, die 10,000 Thaler Renten jährlich haben und demnach zu keinerlei Arbeit verpflichtet sind! Dieß wäre wahrlich die wahre Lumpazo-kratie! In dem konstitutionellen Bienenstaate gibt es auf je zwanzig bis dreißig arbeitende Individuen einen Adlichen, der die Renten verzehrt, welche ihm die Natur bescheert, ohne daß er zu arbeiten brauchte – und diesem Beispiele gegenüber wollt Ihr in einem reinen Arbeitsstaate, wo auf 20,000 Individuen erst ein Mensch mit zehntausend Thalern Renten kommt, eine Pairie, ein Institut erblicher Nichtverpflichtung zur Arbeit errichten!
Carl Vogt: Untersuchungen über Thierstaaten. Literarische Anstalt, Frankfurt am Main 1851, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Untersuchungen_%C3%BCber_Thierstaaten-Carl_Vogt-1851.djvu/63&oldid=- (Version vom 1.8.2018)