dem Insekte erheben können – auch sie hatten ihre pergamentenen Schablonen, nach welchen sie, Paragraph für Paragraph, Artikel für Artikel, das deutsche Reich aufbauen wollten, und wenn Einer von ihnen aus der „geistigen Werkstätte des Verfassungsausschusses“ etwa ausfiel, so konnte der Nachfolger unmittelbar in dem Geschäfte des Vorgängers fortfahren, ohne daß der Paragraph dadurch im mindesten litt – er hatte ja die Schablone ebenso gut im Kopfe als sein Vortreter im Amte. Armseliges Menschenvolk, warum nimmst du die Schablonen deiner Professoren nicht unmittelbar an, und erhitzest dich über Formen, die das Wesen dennoch nur mittelbar berühren!
Die Drohnen nehmen an diesem emsigen Bau der konstitutionellen Bienenzellen keinen Antheil. Spät gegen die Mittagszeit fliegen sie aus, summen um Blumen und Blüthen und kehren gesättigt früh wieder heim, während die rastlosen Proletarier mit dem ersten Sonnenstrahle aus dem Flugloche schlüpfen und öfter sechs- bis achtmal in einem Tage mit frischen Höschen und gefüllter Honigblase nach Hause eilen. Was kümmert auch den Freiherrn, die Drohne die Arbeit? Seine Rente sichert ihm die Natur, seine Stellung die Gunst der Monarchie, der verdummte Arbeiter baut für ihn, als ob es so sein müßte, pflegt im Frohndienste seiner Jungen, wartet seiner Familie – was kümmert ihn die Arbeit? Er sorgt nur für die Erhaltung seiner Privilegien und seines Standes. Zu diesem Ende spricht zuweilen eine Drohne vor den Arbeitern mit tiefem, im Baßtone vorgebrachten Flügelsummen von der herrlichen Frucht der konstitutionellen Freiheit, von dem beseligenden Gefühl, in der wahren Freiheit zu leben. „Ich habe stets Farbe gehalten,“ versichert der freiherrliche Pair seinen
Carl Vogt: Untersuchungen über Thierstaaten. Literarische Anstalt, Frankfurt am Main 1851, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Untersuchungen_%C3%BCber_Thierstaaten-Carl_Vogt-1851.djvu/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)