Die Glasscheibe, durch welche vielleicht das lüsterne Auge des Naturforschers schaut, wird augenblicklich von den Bienen verdeckt, oder, wenn sie hell bleibt, so läßt die Königin ab und zieht sich, verschämt, in ihrem innersten, weiblichen Sinne beleidigt, zurück, ohne das Ei zu legen. Wird sie aber nicht gestört, so streckt sie den Hinterleib[1] tief in die Zelle, und im nächsten Augenblicke hängt an dem Grunde derselben ein längliches weißes Eichen, welches, mit dem einen Ende angeklebt, mit dem andern frei in der Luft schwebt.“
So legt die Königin vielleicht fünf Eier, dann ruht sie ein halbes Viertelstündchen aus, um Wochenbette zu halten. Die Hebammen umgeben sie mit der größten Sorgfalt; sie bürsten den hohen Leib mit ihren Fußbürstchen, klopfen sanft auf Kopf und Brust mit ihren Fühlhörnern, reinigen mit ihren Füßen die Flügel der Monarchin, lecken ihren ganzen Körper mit der Zunge und bieten ihr auf der zierlich gebogenen Rüsselspitze ein Tröpfchen Honig dar, welches sie schlürfend verzehrt. Ein freudiges Summen tönt dabei durch den ganzen Stock. Offenbar werden die Bülletin’s über das Befinden der hohen Wöchnerin durch die telegraphische Flügelsprache, welche die Bienen seit uralter Zeit besitzen, in kürzester Zeit dem ganzen Stocke mitgetheilt und erregen freudige Begeisterung. „Ihre Majestät haben so eben 5 Proletarier-Eier zur Welt zu bringen geruht. Die hohe Wöchnerin fühlt sich auffallend wohl; – Sie haben so eben mehrere Tropfen Honig zu
- ↑ Oken ersetzt unästhetischerweise die Silbe „leib“ durch ein einfaches n. Obgleich ich zur „rohen“ Linken gehöre, wagte ich dennoch diese einfache Aenderung. Biedermann, vergib mir!
Carl Vogt: Untersuchungen über Thierstaaten. Literarische Anstalt, Frankfurt am Main 1851, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Untersuchungen_%C3%BCber_Thierstaaten-Carl_Vogt-1851.djvu/86&oldid=- (Version vom 1.8.2018)