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und es wäre dazu auch kein Anlaß vorhanden, da bei den Krustazeen neben den Mundteilen doch genügend zahlreiche, der Fortbewegung dienende Gliedmaßen vorhanden sind, aus denen die Beine der Arachnoiden hätten hervorgehen können. Es müßten also wohl sehr wesentliche Beweise vorhanden sein, bevor man eine Abstammung der Merostomen[WS 1] von Krustazeen annehmen könnte. Solche Beweise fehlen aber. Auch die Limulava zeigen in keiner Hinsicht zwischen beiden Gruppen vermittelnde Charaktere; in den Antennen, den zu Kiefern umgebildeten Kopfgliedmaßen und der größeren Zahl von Gliedmaßen, welche der Fortbewegung dienen[1], im Spaltfußcharakter der Gliedmaßen, sind sie typische Krustazeen!

Auch die Ähnlichkeit der Larven von Limulus mit Trilobiten, die dazu geführt hat, daß man in der Ontogenie von Limulus sogar von einem Trilobitenstadium spricht, hat keine phylogenetische Bedeutung. Wäre die Limulus-Larve primitiv, so müßte eine ähnliche Larve wohl auch den Gigantostraken zukommen. Hier kennen wir aber ganz junge, wohl eben erst ausgeschlüpfte Larven, von etwa 2 mm Länge ab, und diese haben schon immer einen ziemlich langen, gegliederten Hinterleib, ganz verschieden von dem der sog. Trilobiten-Larve von Limulus (Fig. 5). Diese dürfte daher keine primitive Larvenform sein: ihre Trilobitenähnlichkeit ist offensichtlich eine Folge der Übertragung der Körpergestalt des erwachsenen Limulus (die eine sekundäre Anpassung an die wühlende Lebensweise zeigt) auf die Larve. Auch die Ähnlichkeit einiger älterer Gattungen der Xiphosura, wie Hemiaspis, Bunodes, Pseudoniscus und Bellinurus mit einigen Trilobiten, wie Harpes, Trinucleus (vergl. Packard, 1886), wie auffallend sie auch sein mag, kann keine phylogenetische Bedeutung haben, denn die primitive Körpergestalt der Merostomen ist die der Gigantostraken und hier fehlt jede Ähnlichkeit[WS 2] mit Trilobiten. Es liegt also nur Konvergenz vor. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß es gelegentlich schwer, sogar unmöglich ist, festzustellen, ob eine Form zu den Xiphosura oder zu den Trilobiten gehört, denn das liegt nur an unseren ungenügenden Kenntnissen der Gliedmaßen solcher Formen. Man denke z. B. an Neolimulus oder an Aglaspis, die nach unserer jetzigen Kenntnis ihres Körperbaues sowohl Crustacea wie Merostomen sein könnten. Es würde z. B. auch schwer


  1. Es sei nochmals betont, daß die Blattfüße der Merostomen Sternite und den Gliedmaßen der Krustazeen nicht vergleichbar sind; wären die Blattfüße von Limulus wirklich Spaltfüße, so müßte dieser Charakter bei den Gigantostraken wohl noch klarer ausgebildet sein. Das Gegenteil ist der Fall, denn dort haben die Blattfüße nicht die geringste Ähnlichkeit mit Gliedmaßen, geschweige Spaltfüßen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Merotomen
  2. Vorlage: Änlichkeit
Empfohlene Zitierweise:
Jan Versluys: Die Abstammung und Differenzierung der Gigantostraken. Gebrüder Borntraeger, Berlin 1923, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Versluys_Abstammung_und_Differenzierung_Gigantostraken.djvu/13&oldid=- (Version vom 1.8.2018)