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vorstellen, daß im Wechsel des Mediums der Anstoß zur Umbildung der Gruppe von Lateralaugen zu einem Facettenauge gegeben war, da die Gruppe der Einzelaugen um so leistungsfähiger sein würde, je zahlreicher sie wären und je enger sie beisammen lagen. Das Linsenauge von Limulus und der Gigantostraken ist offensichtlich aus einem der Seitenaugen des Skorpions hervorgegangen, das nicht in das Facettenauge mit aufgenommen wurde. Es mag dies ein Hilfsauge des Facettenauges gewesen sein, welches für die Entfernungsschätzung wichtige Dienste leistete und dessen Entstehung also mit der Ausbildung des Facettenauges verknüpft war.

Es kann also durch den Übergang vom Landleben zum Meeresleben sowohl das Verschwinden der Hauptaugen des Skorpions, wie die Umbildung der Lateralaugen zum Facettenauge (und einem Hilfsauge) bei den Merostomen erklärt werden. Daß die Umbildung tatsächlich in dieser Weise stattgefunden hat, zeigt uns der silurische, marine Skorpion Proscorpius Osborni, dessen Augen einen Übergangszustand vom Skorpion zum Merostomen darstellen. Das alte Hauptauge ist hier in der Nähe des Hinterrandes des Cephalothorax noch erkennbar (Fig. 4 B, H A), die Lateralaugen (LA) haben sich eng zusammengeschlossen, mit Ausnahme eines, welches von den anderen abgerückt nahe der Mitte am vorderen Rande des Cephalothorax liegt (LA’), vergleichbar dem Linsenauge der Merostomen. Dieses liegt zwar bei den erwachsenen Tieren beinahe immer wesentlich weiter nach hinten, aber bei den Larvenformen liegt es dem Vorderrande des Cephalothorax näher; bei Eurypterus ranilarva bleibt es dauernd in dieser Lage (Clarke & Ruedemann).

Zu beachten ist auch, daß die Linse beim Linsenauge von Limulus auf dem Wege ist, sich von der Chitinschicht der Haut loszulösen und dadurch eine bedeckte Vorderfläche zu erwerben, die wieder für die Lichtbrechung geeignet ist. Es liegt hier eine unzweideutige, noch nicht vollendete Anpassung an das Wasserleben vor, die für sich allein schon zeigt, daß die Umbildung vom Landtier zum Wasserbewohner ging.

Wir sehen also, daß die für den Wechsel des Mediums an erster Stelle empfindlichen Atmungsorgane und Augen uns auf die Frage, in welcher Richtung eine Änderung der Lebensweise stattgefunden haben muß, die Antwort geben: in der Richtung vom Land- zum Wasserleben, und nicht, wie Lankester annahm, umgekehrt.

Es ist ferner zu betonen, daß bei einer Änderung des Mediums erst nachher die Anpassung folgen kann: ein Tier kann sich einem Milieu nicht anpassen, bevor es darin lebt. Nun sind aber die Übergangsformen

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Jan Versluys: Die Abstammung und Differenzierung der Gigantostraken. Gebrüder Borntraeger, Berlin 1923, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Versluys_Abstammung_und_Differenzierung_Gigantostraken.djvu/9&oldid=- (Version vom 1.8.2018)