Seite:Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen.pdf/200

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

zu Anfang dieses Jahrhunderts die Vorstädte von Wan von einer Überschwemmung durch den See bedroht gewesen seien. Von 1838–1840 stieg der See drei bis vier Meter. Im Jahre 1848 konstatierte Hommaire de Hell eine kleine Erniedrigung des Niveaus. Ein uns befreundeter türkischer Offizier erzählte uns, daß es Jahre gebe, wo die Ruinen von Ardschisch ganz mit Wasser umgeben seien; damals dagegen standen sie vollständig auf fester Erde. Es ist also schwer zu bestimmen, ob das Ergebnis dieser Veränderungen des Niveaus eine bestimmte Stufe zu einer definitiven Vergrößerung des Sees anzeigt, oder ob diese Veränderungen nur wenig schwanken.[1]

Man schätzt die Oberfläche des Sees auf 3690 Quadratkilometer (der Genfer See ist bloß 573 Quadratkilometer groß). Es ist merkwürdig – um nur nebenbei darauf zu kommen – zu sehen, wie auf unsern geographischen Karten die Umrisse des Sees so lange Zeit einfach nach der Phantasie gezeichnet wurden. Von 1840 bis 1848 konnte kaum eine einzige Zeichnung auf annähernde Richtigkeit Anspruch machen. Dubois de Montpéreur giebt dem See noch eine Form nach der Überlieferung.[2]

Die Nordküste ist, wie bereits erwähnt, ganz vulkanisch und lehnt sich an den Krater des Sipan-Dagh, der heute allerdings erloschen ist. Dieses vulkanische Terrain erstreckt sich bis zum Thale des Bendimahi-Tschaï; die ganze West- und Südseite besteht aus Kalkstein. Fast überall lassen sich die Spuren der vulkanischen Thätigkeit nachweisen.

Das Wasser des Sees ist außerordentlich bemerkenswert. Bei unserm ersten Ausflug zu seinen Ufern wollten wir uns in dem Wasser das Gesicht waschen; aber in einem einzigen Augenblicke waren unsere Gesichter mit einem reichlichen, milden Seifenschaum bedeckt; die Situation konnte kaum komischer gedacht werden, denn je mehr wir uns rieben, um so mehr seiften wir uns ein. Die Seife ist gut, so daß man den See als einen Seifenwassersee bezeichnen kann. Die Uferbewohner bereiten daraus eine vortreffliche Soda, die bei besseren Bedingungen vielleicht den Grund zu einem bedeutenden Handel bilden könnte.

Der Geschmack des Wassers ist fade, mit einem Nachgeschmack von faulen Eiern.

  1. Höhe des Sees von Wan:
    Nach Texier: 1629,9 Meter
    Nach Dickson: 1666,34 Meter (51300 Pariser Fuß)
    Nach Reclus (nach Monteith): 1625 Meter
    Nach Kiepert: 1650 Meter
    Der Durchschnitt unserer zehn Beobachtungen: 1628 Meter
    Diese zehn Beobachtungen wurden gemacht während der Reise um den See. Wie schon erwähnt, fanden wir als Höhe des Hauses der Dominikaner 1705 Meter. Bei unserem ersten Ausflug zu dem See konstatierten wir zwischen dem Hause der Dominikaner und dem See eine barometrische Differenz von sieben Millimetern, die also einem Höhenunterschiede von 80 bis 90 Metern entspricht, wonach der Wasserspiegel des Sees in einer Höhe von 1615 Metern läge.
  2. Tavernier umging die Ufer des Sees von Wan im 17. Jahrhundert; zu dieser Zeit war das Land noch sehr durch die Karawanenzüge belebt. Von da an wurde die Gegend für die Reisenden fast unzugänglich. Die ersten Reisenden dieses Jahrhunderts waren Jaubert, Kinneir, Monteith, Howler, Schiel, Wilbraham, Brant; die Erzählung ihrer Erlebnisse klingt romanhaft. Jaubert wurde lange in Bayasid als Gefangener festgehalten; Howler wurde in Melezgerd der Held eines wirklichen Dramas. Das traurige Ende des unglücklichen Schulz ist bekannt.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/200&oldid=- (Version vom 1.8.2018)