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In der großen nationalen Bewegung, die augenblicklich die Armenier beschäftigt, rufen die Schulen und Klöster selbstverständlich das größte Mißtrauen der türkischen Regierung wach.

Vor drei bis vier Monaten, als der Wali seine „berühmte“ armenische Verschwörung entdecken wollte, überfiel unter diesem Vorwande eines schönen Tages die Polizei das Kloster, drang in die Kirche ein und zerstörte den steinernen Altar bis auf den Grund in der Hoffnung, dort verborgene Waffen zu finden. Da sie sich in dieser Hoffnung getäuscht sah, hielt sie sich an der Bibliothek[1] schadlos, nahm alle modernen Bücher und die Pressen des Klosters fort und legte die gerichtlichen Siegel an.

Kirche des Klosters Yedi-Kilissa.

Obgleich die Sache so geheim als möglich gehalten wurde, wirbelte sie doch bald Staub auf. Um der Angelegenheit ohne Aufsehen zu erregen auf den Grund zu kommen, veranstaltete der russische Konsul bald nachher einen Ausflug zum Warak. Die durch die Polizei in der Kirche angerichteten Verwüstungen waren kaum ausgebessert, so daß die Zeichen davon deutlich zu erkennen waren; die Bibliothek war geschlossen. Die Anwesenheit des russischen Konsuls hätte den Mönchen als eine gute Gelegenheit erscheinen müssen, einen Beschützer zu suchen.

Nichtsdestoweniger hatte der Superior (gegenwärtig in Wan), als er von dem Konsul befragt wurde, eine solche Furcht, sich der türkischen Regierung gegenüber bloßzustellen, daß er gerichtliche Durchsuchung und Verwüstungen entschieden leugnete.

Es sind dies leider zu häufig vorkommende Züge in dem armenischen Charakter, die zugleich der Emancipation dieses Volkes ein großes Hindernis in den Weg legen.

  1. Das Gebäude links von der Kirche ist die Bibliothek.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/207&oldid=- (Version vom 1.8.2018)