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werden von den Leuten der dortigen Gegend sehr verehrt, die hierher die biblischen Erinnerungen der Sündflut verlegen; eine Spitze des Gebirges, der Nisir, macht sogar dem Ararat Konkurrenz.

Zwei Stunden später, nachdem wir Rubahi verlassen hatten, kamen wir an die Mündung des Khabur in den Tigris. Durch diesen bedeutenden Fluß sehr vergrößert, wird der Tigris großartig. Er erreicht in jener Gegend die Breite des Rhône bei Lyon, aber auch dessen Ungestüm.

Feischabur, wo wir gegen neun Uhr des Abends ankamen, ist auf eine hohe Felsenklippe von verwittertem Gestein erbaut, auf einen der letzten Ausläufer des Sakho-Dagh. Das Dorf liegt malerisch über dem Flusse, und ein zierlicher Wasserfall trägt zur Belebung des Panoramas viel bei.

Wir hielten einige Augenblicke an, um Eier einzukaufen; man versprach uns Eier, aber niemand war zu sehen, der sie uns brachte. Schließlich verloren wir die Geduld und fuhren weiter. Kaum hatte sich der Kellek in Bewegung gesetzt, als ein Bengel aus allen Kräften gelaufen kam, der die Eier brachte. Der Kellekdschi hielt sich nahe an dem felsigen Ufer, da er dort eine Stelle zu finden hoffte, wo er anlegen konnte, um die Lebensmittel in Empfang zu nehmen. Es gelang ihm aber nicht, und was noch schlimmer war, er bemerkte zu spät, daß die Strömung stärker wurde und uns geradenwegs zu großen Stromschnellen trug. Das Fahrwasser befindet sich ungefähr an dem andern Ufer des Flusses. Es mußte um jeden Preis dorthin gerudert werden, wenn wir nicht in Stücke gehen sollten. Der Kellekdschi ruderte aus allen Kräften; noch ungefähr zehn Meter und wir hatten das Fahrwasser erreicht, als plötzlich der Kellek durch eine Welle hinweggerissen wurde. Sie trug uns rechts auf einen spitzen Felsen, hob noch den Vorderteil unseres Fahrzeuges in die Höhe und wurde dann schwächer. Einige Schläuche borsten mit großem Geräusch, das ganze Fahrzeug knirschte, wir waren auf den Felsen gespießt. zum Glück für uns; denn wenn unsere tolle Fahrt noch länger gedauert hätte, so wären sämtliche Schläuche geplatzt, und wir hätten jämmerlich Schiffbruch gelitten.

Die Lage war für uns nicht angenehm. Wir mußten zunächst den Kellek flott machen und dann das Fahrwasser zu erreichen suchen, indem wir zwischen zwei Felsen hindurchfuhren. Da wir die anfängliche Schnelligkeit nicht mehr hatten, konnte dies gelingen.

Der Fährmann stellte sich ins Wasser und hob mit vieler Mühe den Hinterteil des Kellek in die Höhe; wir stießen ab, wobei wieder einige Schläuche platzten; der Kellekdschi gab der Fähre noch einen kräftigen Stoß von der Seite und sprang dann zu seinen Rudern. wie ein Strahl kamen wir zwischen den Felsen hindurch. Die Stromschnelle trieb uns in das richtige Fahrwasser, wir waren gerettet. Gott sei Dank! alles war vorübergegangen, aber die Viertelstunde war doch höchst unangenehm.

Gegu, der auf dem Lande keine Furcht kennt, hatte hier aber jede Spur von Beherztheit eingebüßt und zitterte wie Espenlaub. Unser armes Haus beunruhigte mich sehr, denn bei jeder Schwierigkeit, die entstand, krachte es schrecklich; es ist dies ein Fall, in die Elastizität der Materie Vertrauen zu setzen.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/285&oldid=- (Version vom 1.8.2018)