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Der Zabtieh hatte die ganze Nacht aus Furcht vor den Arabern nicht geschlafen.

Diese unerschrockenen Räuber wenden bei der Plünderung eines Kelleks ein sehr geistreiches Verfahren an. Da die Nacht in Arabien sehr dunkel ist, so kommt ein Araber, der eine gewisse Strecke oberhalb des Kelleks in das Wasser geht und ein paar Schläuche besteigt, auf diese Weise, wobei er sich freilich möglichst nieder hält, an den Kellek; in dem Augenblick, wo er den Kellek erreicht, taucht er langsam unter denselben und zerschneidet mit einem Dolche so viel Schläuche, als er eben erreichen kann, worauf er sich schnell in Sicherheit bringt.

Nun beginnt der Kellek zu kentern; befindet er sich im Gange, so muß er anlegen, um seine Havarie auszubessern; liegt er irgendwo an, so kann er vor Ablauf einiger Stunden die Stelle nicht verlassen. Er ist also der Gnade der Araber vollständig überlassen, die auch bald zur Plünderung herbeieilen.

Gegen zwei Uhr des Morgens wurden wir durch einen Schuß alarmiert, der aber nichts zu bedeuten hatte; der Zabtieh hatte ein Wildschwein gefehlt, das zur Tränke kam.

Abreise 6 Uhr morgens.

Gegen Morgen wurde das Wetter endlich schön. Bei unserer Abreise von Mosul hatte man uns schon benachrichtigt, daß wir in Tekrit ein anderes Klima finden würden; in Wirklichkeit bildet die „chaldäische Pforte“ eine klimatische Grenze, oder vielmehr der Dschebel-Hamrin, dessen felsige Kämme die nackte Wüste in der Mitte durchschneiden und auf diese Weise für Chaldäa eine fortgesetzte Schutzmauer sind gegen die aus den kurdischen Bergen und der persischen Hochebene wehenden rauhen Winde. Endlich sahen wir einen richtigen orientalischen Himmel, hatten auch eine orientalische Temperatur, nämlich 25° +.

Obgleich das Klima von Mosul im Sommer außerordentlich warm ist, so sind doch die Winter dortselbst kalt und feucht, und selbst Schnee fällt in jenen Gegenden. Palmbäume wachsen dort nur in geschützten Höfen; bald sollten wir aber in die eigentliche Zone der Palmbäume eintreten.

Die Landschaft bewahrt immer noch ihren malerischen Charakter; der Dschebel-Makhul sendet nach Süden eine lange Verzweigung mit ziemlich steilen Abhängen, an deren Fuße der Fluß vorbeifließt; gegen die mesopotamische Wüste scheinen sich die Hügel langsam abzudachen.

Auch die Ufer bieten mehr leben; von Zeit zu Zeit sieht man einige Kelleks am Ufer liegen; die Mannschaft des einen sammelt Holz, um es nach Baghdad zu bringen, während die des andern Süßholzwurzeln sammelt, das in Menge am Tigris wächst. Es scheint, daß die Kellekdschis, die von Mosul kommen, von Hause aus Lebensmittel für ihre Landsleute mitbringen, denn beinahe jeder dieser Handelskelleks sandte uns einen Mann, um bei unsern Ruderern Brot zu erstehen.

Diese Leute schwimmen, indem sie sich zweier verbundenen Schläuche bedienen. Sie ziehen das Hemd bis zu den Achselhöhlen hinauf und machen aus ihrer übrigen Kleidung einen Turban, den sie um den Kopf rollen; dann stützen sie sich mit den Händen auf die Schläuche und lenken sich mit den Füßen; obwohl in dieser Jahreszeit das Wasser des Tigris bereits eisig war, so blieben diese Leute doch stundenlang in dem Wasser.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/330&oldid=- (Version vom 1.8.2018)