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Die Araber behaupten auch, durch folgendes Mittel den Krebs heilen zu können. Man nimmt Hundezecken (Ixodes – auf arabisch tadü genannt), die sich mit Blut angefüllt haben. Diese werden in einem Mörser gestampft und mit Milch vermischt, so daß ein klebriges Pflaster entsteht. Bleibt dieses Pflaster hängen, so ist der Kranke gerettet, denn es bleibt dann auf der Wunde so lange, bis diese geheilt ist. Ein ähnliches Heilmittel wird auch aus Mücken und Honig bereitet.

P. Damian glaubte nicht, daß diese Mittel den richtigen Krebs zu heilen vermöchten; aber bei bösartigen Geschwüren kann ihre Heilkraft nicht abgeleugnet werden.

Das verbreiterte und unangenehmste Übel in jenen Ländern ist der Knopf von Baghdad, auch Knopf von Haleb, Rose von Diarbekr genannt. Zuerst bildet sich auf der Haut ein weißlicher, ein wenig schmerzender Fleck, der sich aber bald zu einem dicken Knoten ausbildet, ohne jedoch bedeutende Schmerzen zu verursachen. Zur Entwicklung, zum Eitern und zum Heilen hat der Knopf von Baghdad zwölf Monate notwendig. Das Ganze wird dadurch um so lästiger, als bis jetzt kein Mittel existiert außer der Geduld; höchstens kann man die kranke Stelle mit reinem Wasser abwaschen. Alle anderen Mittel haben nur unangenehme Folgen. Vertreibt man den Knopf, so bildet sich sofort ein anderer; zuweilen aber hat dieser neue noch das Unangenehme im Gefolge, daß er sich vervielfacht und durch diesen schmerzhaften Reiz wird der Kranke erschöpft. Europäische Ärzte haben bereits versucht, durch äußerst sorgfältige Beobachtungen und Studien die Natur dieser Krankheit zu erforschen. Meines Wissens ist es ihnen bis jetzt aber noch nicht gelungen, eben so wenig wie sie bis jetzt auch ein Heilmittel dafür ausfindig gemacht haben.

Einer der Missionare hatte bei unserer Ankunft drei Knöpfe; einer von diesen, der ein Ohr gänzlich verunstaltete, war beinahe schon ein Jahr alt. Aus Rücksicht auf uns glaubte der Pater, den häßlichen Anblick durch ein Pflaster verbergen zu können. Am andern Morgen hatte er einen neuen Knopf am Knie.

Die Leute der Gegend haben beinahe alle im Gesichte starke Narben, die eben falls von solchen Knöpfen herrühren, von denen sie in der Kindheit befallen wurden, wobei dann meistens Narben zurückbleiben. Die Kleinen lassen dem Knopf gewöhnlich keine Ruhe zum Heilen, woher dann die meisten Narben kommen. Die in Baghdad anwesenden Europäer haben selten den Knopf im Gesichte, dagegen oft in den Haaren. wird der Knopf in Ruhe gelassen, so verschwindet er, ohne Spuren zu hinterlassen. Es ist fast kein Beispiel bekannt, daß ein Europäer, der längere Zeit in Baghdad gewohnt hat, vom Knopfe verschont geblieben ist. Oft kommt er während des Aufenthaltes in Baghdad nicht zum Ausbruch, sondern erst mehrere Jahre, nachdem der Europäer wieder zurückgekehrt ist. Da die europäischen Arzte die Natur dieses Übels nicht kennen, so wenden sie auch meist starke Mittel gegen den Knopf an, was dann oft zu traurigen Folgen führt.

Man hat auf tausenderlei Weise versucht, die Entstehung dieser Krankheit zu erklären. Man hat dem Wasser die Schuld zugeschrieben. An den Ufern des Tigris trinken alle einheimischen Leute dessen Wasser, und doch kommt der Knopf in gewissen Ortschaften, die dicht am Tigris liegen, nicht vor. Ich bin eher geneigt, die Datteln als Veranlassung oder Beförderungsmittel der Krankheit anzusehen.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/356&oldid=- (Version vom 1.8.2018)