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vorzüglichem Zustande. Der Postdienst wird mit großer Pünktlichkeit erfüllt, und dabei hat der Reisende weder die Plackereien mit der Polizei noch die ewigen Verspätungen zu fürchten wie in Transkaukasien.

Der Handel ist in Indien bedeutend entfaltet, und alles deutet auf eine anhaltende Thätigkeit hin. Der Ackerbau empfängt dort gar manche Anregungen und ist auch schon weit vorgeschritten, obgleich im Punkte des Bewässerungssystems noch manches zu vollenden ist.

Sattel eines Kosaken.

In intellektueller und moralischer Hinsicht ist der Gegensatz noch bedeutend größer. Die geistige Entwickelung des Mittelstandes hat sich in Indien sehr rasch entfaltet, so daß man in der intellektuellen Bildung die Niedrigerstehenden leicht erkennt. Wenn auch der öffentliche Unterricht ziemlich im argen liegt, so trägt daran die große Bevölkerungszahl die Schuld, die über 230 000 000 beträgt, ferner auch die in der sozialen Verfassung des Landes begründeten Schwierigkeiten. England hat auch seine Schuldigkeit in diesem Punkte gethan und kein wünschenswertes Mittel unversucht gelassen.

Rußland hat dagegen im Kaukasus kaum angefangen, sich ernstlich mit dem Unterrichtswesen zu befassen, weshalb auch nur eine beschränkte Anzahl von Menschen einen Vorteil daraus hat ziehen können. Die große Masse der Einwohner ist sehr ungebildet.

Ich glaube, der Grund dieser Verschiedenheit ist besonders in dem Unterschiede der geistigen Anlagen dieser beiden Rassen zu suchen.

Die englische Regierung in Indien ist, wie schon erwähnt, vorherrschend eine bürgerliche und politische.


Eine lange Überlieferung hat in dem Engländer die erforderlichen Eigenschaften der Energie und Anregung entwickelt, die sehr unabhängige Verwaltungsbeamte in den Dienst der Regierung zu stellen vermögen. Die Regierung versteht es, ihnen den richtigen Platz anzuweisen und kommt so dahin, daß sie, wenn sie auch nur über eine verhältnismäßig kleine Zahl von Beamten verfügt, doch ein Reich verwaltet, das doppelt so viel Einwohner enthält als das ganze russische Kaiserreich. Selbst in den unmittelbar von England regierten Ländern hat jeder seinen Verwaltungsbezirk, der zunächst sehr weit ausgedehnt ist, für den er aber auch allein die Verantwortung trägt, da das meiste von seiner Initiative abhängt. Und hier opfert er sich gleichsam auf. Ein einziger Resident überwacht zuweilen die Verwaltung eines Fürstentums mit einer so großen Einwohnerzahl als der ganze Kaukasus. Zudem macht sich aber der englische Einfluß in ganz Indien in einer so lebhaften

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/84&oldid=- (Version vom 1.8.2018)