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einer jeden Umwandlung Stand hält. Sie wird nicht das schlaffe Produkt des von allen Seiten herein Strömenden, sondern zwingt jeden Ankömmling unter ihre Eigenart.

Zeitgenössische Urteile über diese Eigenart sind selten. Wenn Basel geschildert wird, vernehmen wir meist nur die konventionelle Wiedergabe eines allgemeinen Eindrucks. Einzelheiten, die Erwähnung finden, sind höchstens die Kleidung der Einwohner, die Bauart, der Reichtum an Brunnen u. dgl. Tiefer und ins Persönliche greift der erprobte Schilderer Enea Silvio. In einem glänzenden Momente der Stadtgeschichte und aus beredtem Munde erhalten wir eine Charakteristik, die von großem Wert ist. „Die Basler sehen nicht auf den Schein, nur auf das Wesen.“ Sie scheuen sich, mehr zu zeigen als sie zu haben glauben, und hüten das, was sie wirklich haben, vor jedem Andern, weil es Diesen nichts angeht. Daher „bauen sie ihre Häuser nur für den Gebrauch“ und schaffen sie diesem zu Liebe im Innern so wohnlich als es angeht, während sie das Äußere ohne Rücksicht auf Gefallen und Bestauntwerden bilden. Daher auch im persönlichen Leben das Bergen des Gefühls als des eigensten Eigentums und, aus Scheu etwas Unwahres zu geben, das Zurückhalten jeder Begeisterung. „Mehr Sparta als Athen“, sagt Enea. Statt der verhüllten Phantasie zeigt sich ihr Gefährte, der Witz. Die Gesinnung zum Echten, die kein Lob gibt noch erwartet, weil es geheuchelt sein könnte, braucht als Mittel ihrer Erziehung den Spott. Eine erstaunliche Fülle von Spitznamen ist aus den Gassen und Stuben schon des XIV. Jahrhunderts in die Akten gerettet worden; sie zeigen, wie Jeder Jedem aufpaßt und sein Mangelhaftes oder Lächerliches festhält. Unter dem Banne solchen verbreiteten Witzes, aus der angebornen und anerzogenen Gewöhnung zum Maßhalten, zum Zurückdrängen spontaner und kühner Entschlüsse heraus, dazu in der lauen schweren Luft dieser Gegend wachsen der Einzelne wie das Gemeinwesen, gestalten sich Politik Kriegführung Handel. Alles dies an einem Orte, den stets der stärkste Weltverkehr durchflutet. Daß die Stadt so wenig durch diesen berührt wird, erscheint wie absichtliche, mit der eigenen Art völlig zufriedene Zurückhaltung. In der Tat ist schon frühe, durch Sebastian Brant, bezeugt, wie bewußt die Basler eine Singularität festhalten, welche Freude ihnen ein ausgebildetes Sonderwesen bereitet.

Der Stabilität des Stadtcharakters entspricht die Geschlossenheit, in der die Stadt gegen außen erscheint. Stadt und Einwohnerschaft sind eins. Die Auffassung herrscht, daß das Gemeinwesen jeden Einzelnen zu schützen, dieser mit jenem Lieb und Leid zu teilen habe. Jährliche Eide festigen diese Einung. Die Stadt besitzt in der Tat Auszeichnung und Vorteil einer

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/373&oldid=- (Version vom 10.11.2016)