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Andere Sonderungen wurden andern Zuständen gerecht und andern Kräften. Nur auf Vereinzeltes dieses wunderbaren Schauspieles vermögen wir hinzuweisen, da ein unerhört reiches und tätiges Leben Alles, auch das Äußerliche, bewegt und beseelt.

Wir erinnern an die Gesellschaft einer jeden Periode d. h. die politisch sozial wirtschaftlich Hervortretenden, deren Ganzes aber, durch Verschiedenheit der Lebensart und der Lebensziele erregt, sich ihrerseits wieder spaltet in oft feindliche Familiengruppen, in Parteien und Fraktionen. Dann die Sozietäten für Geldgeschäft und Handel; die durch mächtige, den ganzen Menschen beherrschende Anschauung zusammengeführten kirchlichen Verbände und Gefolgschaften. Und wie starke örtliche Gliederungen begegnen allenthalben, jede mit ihrer eigenen bestimmten Physiognomie: der feierliche Bezirk auf Burg; die dunkeln stolzen Patriziergassen zu St. Peter mit dem Blick über die beherrschte Stadt; das Kaufherren- und Bankenviertel an der Sporengasse und beim Kaufhaus; die Kleinleutequartiere zu St. Johann, zu Spitalscheuern, an den Steinen. Überhaupt erscheinen die Vorstädte, in ihrer lockeren Bebauung, mit ihrer Bevölkerung, mit ihrer Sonderart in Recht und Geltung, wie Welten für sich; stärker noch die kleine Stadt auf dem rechten Ufer, die sich von jeher als ein Basel eigener Art fühlte und benahm. Nicht nur um topographische Sonderungen handelt es sich dabei; jeder dieser Bezirke hat seine eigene Sitte und Gesinnung, ja Sprache, seine eigene Gesellschaft, zeigt einen für sich gearteten Teil der städtischen Einwohnerschaft.

Über dem Allem endlich, auch über den politischen Parteien, den Stuben der Herren, der Schreiber, der Gesellen, der Schützen usw., den festen Körpern der Zünfte, den gegebenen und unausweichbaren Zusammenhängen von Verwandtschaft und Nachbarschaft als glückliche, wenn auch oft nur momentane Ergänzung eine freie Geselligkeit. Zumeist allerdings, ihrem Wesen gemäß, gar nicht bezeugt. Nur an eine gewisse Organisation, an Klubs oder Stammtische mögen die Gesellschaften zum Leckerstüblein 1416 und von Freudeneck 1470 erinnern, die gelegentlich Erwähnung finden. Ebenso vielleicht die 1424 genannte Gesellschaft zum Leopard; im Hause zum Ingwer, wo in früher Zeit eine Trinkstube der Krämer gewesen war, seit ca. 1480 die Schuhmachergesellen ihre Stube hatten, scheint zwischenhinein eine andere Gesellschaft sich befunden zu haben. Jedenfalls lassen diese ganz zufälligen Nennungen vermuten, daß noch sonstige Zirkel solcher Art bestanden, freie Vereine, in denen nicht nur lustig gelebt, sondern auch gearbeitet, Ehre und Zukunft der Stadt erwogen, vielleicht das Höchste Geistige verhandelt wurde.


Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 405. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/426&oldid=- (Version vom 26.12.2022)