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Beide waren sich verwandt. Doch mochte der Vertrieb der feinern Ware, der auch eine ganz andre Sorte von Kunden brachte, die Gewandschneider sowohl gesellschaftlich als wirtschaftlich heben. Auch ihre politische Stellung war stärker; sie konnten sich fühlen als die Herren der ersten Zunft, während die Grautücher mit der Schar der armen Rebleute die fünfte Zunft zu bilden hatten.

In solcher Weise ausgezeichnet treten diese Gewandschneider vor uns auf, in der Zunftorganisation den Namen der Kaufleute tragend, die Walpach Berner Murer Spitz Zeigler Meltinger Hartmann Rieher Meyer usw. usw. Sie begegnen uns überall; mit unablässiger Arbeit schufen sie ihren Wohlstand; in der Zucht solcher Arbeit und einem ausgebreiteten Verkehr entwickelten sie die besondere Fähigkeit, die das Ansehen der Stadt zum guten Teil auf sie gründete, die städtische Politik oft bestimmte. Dies macht ihren eigenartigen historischen Reiz aus. Während die Gewerbe der Produktion uns ihre namhaften Männer meist jeden nur auf dem bestimmten Gebiete seines Berufes zeigen, stehen die Handelsleute mit viel allgemeinerer Kraft und Wirkung im öffentlichen Wesen.

Diese Kaufleute zum Schlüssel also handelten mit Tuchen, die nicht am Orte hergestellt waren. Sie brachten die schönen kostbaren Stoffe des Auslandes hier auf den Markt: das lombardische Tuch, die Tuche von London Mecheln Brüssel Löwen Köln Muntabur Limburg Kreuznach usw., in späterer Zeit Tuche von Arras Epinal Schwalbach Ulm usw. Dabei zeigt ihr Name Gewandschneider, daß sie vor Allem den Verkauf im Ausschnitt, das Detailgeschäft betrieben; sie hatten das Monopol des lokalen Schnittverkaufs. Mit dem Kleinhandel verbanden sie, wenn auch nicht Alle, den Großhandel. Sie waren Verkäufer und gelegentlich auch Käufer auf dem Engrosmarkt im Kaufhause und zugleich Detaillanten daheim im Laden; sie besuchten nicht nur die Märkte zu Rheinfelden und Zurzach, sondern auch die Straßburger und die Frankfurter Messen, wo ihr Umsatz sich in allen Quanten bewegen, direkter Absatz und Zwischenhandel, zugleich Export von Basel und Einkauf für das heimische Lager, eigenes Geschäft und Kommission sein mochte.

So mannigfaltig und ausgedehnt dieser Verkehr war, beherrschte er dennoch in Basel selbst den Markt keineswegs. Fremde Tuchhändler fanden sich ein, die jederzeit im Kaufhaus im Großen und an gewissen Tagen hier sowie an den Messen auch im Kleinen feilbieten konnten. Außerdem aber sparten sich angesessene große Abnehmer die Kosten dieses Zwischenhandels durch direkten Einkauf von Tuch im Auslande. So sehen wir den Rat und den Bischof das Tuch für die Livreen ihrer Dienerschaft an den Messen

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 498. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/519&oldid=- (Version vom 20.11.2016)