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Die große Fähigkeit und Leistung der Mendikanten, der gegenüber eine Einwendung gar nicht möglich war, offenbarte sich neben ihrer Beichtigertätigkeit im Predigtwesen. Auf den locker bebauten und zum Teil abgelegenen Höhen des Stadtgebietes waren die alten Pfarrkirchen errichtet worden. Jetzt stellten die Barfüßer ihre große Predigthalle in die gefüllte laute Niederung am Birsig, und die Stadtgemeinde selbst, deren Bedürfnissen die vorhandenen Pfarreien wohl nicht genügten, gab den Bauplatz. Beim Bau der Dominikanerkirche wurde vor allem das Langhaus, der Predigtraum, vollendet, den Brüdern selbst ihr Chor erst nach Jahrzehnten hinzugefügt. So zahlreich drängten sich die Leute zur Kanzel der Augustiner, daß diese Kirche bald zu klein wurde und 1340 erweitert werden mußte. Aber nicht nur in der Kirche redeten diese Mönche; allenthalben erhoben sie ihre Stimme, auf den Gassen, im freien Felde, mitten im Werktagsgewühl.

Diese Mendikantenpredigt, einem vornehmlich aus Kultushandlungen bestehenden Gottesdienste gegenüber, gab sich als Erfüllung nicht einer Amtsobliegenheit, sondern einer innern Pflicht. Sie geschah aus persönlichem Eifer, aus Ordensehrgeiz. Zur Wirkung der freibelebten Kraft trat in ihr für Viele der Reiz des Ungewohnten. Sie fesselte. Sie rief immer wieder. Und ganz notwendig schloß sich an sie als Ergänzung ein unmittelbares Nahetreten zum Einzelnen, eine persönliche Seelsorge in den jedem Fall angepaßten Formen innerer Mission. Es war eine Tätigkeit, die ohne Grenze sein und die Pfarrkleriker ihres ganzen Gebietes berauben konnte.

Der Streit, der hierüber ausbrach, zeigte die beiden Seiten, von denen aus die kirchliche Tätigkeit angefaßt wurde; die Pfarrer kämpften für ihr Amt und dessen Rechte, die Mönche dafür, was ihnen als ihr Beruf galt, und für die Not des christlichen Volkes. Der Streit aber wurde um so erbitterter, weil neben der Autorität und dem geistlichen Einflusse der Pfarrer ihre ökonomische Existenz litt; weil die Untertanen, die zu diesen Mönchen in die Predigt zu gehen sich gewöhnt hatten, dort nun auch zu beichten und zu kommunizieren begehrten, dort ihre Beichtpfennige entrichteten, dorthin ihre Opfer brachten, ihre Geschenke und Vermächtnisse gaben, dort begraben sein und die Begräbnisgebühren zahlen wollten. Es war nicht genug an der Verwirrung, die so viele Gemüter ergriff, an den Verdächtigungen und übeln Nachreden. Sondern in häßlicher Weise verdrängte der Zank um die Einkünfte den Wettstreit des Amtseifers. Keineswegs nur auf Seite der Pfarrer. Denn wie die Verdienste der Mendikanten sich für unser Urteil deswegen vermindern, weil die Lässigkeit des Weltklerus ihnen vielfach leichte

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 636. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/115&oldid=- (Version vom 4.8.2020)