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Dingen gehörte z. B. der bei Stiftung von Kaplaneipfründen öfters gemachte Vorbehalt, daß deren Leihe künftig den Pflegern zustehen sollte.

Allem diesem zu Grunde lagen Wille und Kraft der Gemeinde, an der Kirchenarbeit teilzunehmen. Zu St. Leonhard verlangte und erreichte sie 1462 die Wiederherstellung der Ordnung im Kloster, zu St. Peter erzwang sie 1439 die Verdrängung des Dompropstes von der Leitung des Pfarramtes. Die doch sozial tiefstehende St. Ulrichsgemeinde trat gleichwohl mit Entschiedenheit auf, offenbar gestärkt durch die Gesellschaftsorganisation dieser Vorstadtbewohner; 1401 waren neben dem Kirchherrn die „Untertanen“ Käufer der Kirchhofliegenschaft, und 1507 schlossen sie mit dem Leutpriester einen Vertrag, der ihnen die Verwaltung des Kirchenschatzes, die Wahl des Siegrists usw. gab. Noch selbständiger handelten die Gemeindegenossen von St. Theodor. Daß hier Kirchspiel und politische Gemeinde eins waren und daß diese Gemeinde auch in veränderten politischen Verhältnissen sich ihres Sonderrechtes und Sonderlebens bewußt blieb, schuf trotz der Inkorporation ihre Stärke im Kirchenwesen: 1316 schlossen Schultheiß und Rat als Vertreter ihres Gotteshauses einen Verkauf; die Gemeinde erhielt 1319 die Theodorsreliquien von Bischofszell, sorgte 1349 für Pfarrhaus und Kirchhof, baute 1422 die Kirche, erwirkte 1434 die Anstellung eines zweiten Helfers. Aber ihre Sorge galt nicht nur der Pfarrei. Sie gelangte 1464 an den Papst mit dem Begehren um Reform des Klaraklosters, sie stiftete im gleichen Jahre Kaplaneipfründen, sie erweiterte 1493 die St. Annakapelle. Und 1507 ernannte sie mit dem Domkapitel zusammen den Leutpriester. Wie sie hiebei den Gewählten in Pflicht nahm, ist ebenso bemerkenswert, wie der Beschluß des Konzils anläßlich der Helferwahl 1434, durch den der Gemeinde als Zwangsmittel gegenüber dem Domkapitel das Recht zur Sequestration von Kirchengut eingeräumt wurde. Im Pflegerkollegium saßen regelmäßig der Schultheiß, zuweilen auch die Gesellschaftsmeister.


Dem freien Klerus und der Pfarrgeistlichkeit stehen gegenüber die Klerikervereinigungen der Stifter: mit eigener Verfassung und eigenem Vermögen ausgestattete Kollegien Solcher, die ohne Gelübde, ohne Ordensregel, nur durch geistliche Weihe ausgezeichnet, zur Anbetung Gottes vereinigt sind. Ihr Charakteristisches ist, daß in ihnen das freie Wesen des Weltklerikers unter einer Ordnung steht, die nicht den ganzen Menschen ergreift, sondern nur einzelne bestimmte Leistungen von ihm fordert.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 644. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/123&oldid=- (Version vom 4.8.2020)