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Versorgungsanstalt des Adels; aber jeder Zwang und jede Unwiderruflichkeit war dabei vermieden, und die Familieninteressen blieben gewahrt. Exspektanten konnten natürlich ohne weiteres wieder in die Welt zurücktreten; aber auch Kapitularen und Prälaten – Ulrich von Rappoltstein, Götzman Münch, Hans Thüring Münch, Arnold von Bärenfels – verließen den Chor, wurden Laien und Stammhalter.

Das Verfahren bei der Wahl eines Domherrn ist uns erst seit der Mitte des XV. Jahrhunderts genauer bekannt. Wie es dabei früher zugehen mochte, lehrt die Schilderung, die uns von der Aufnahme des Anton von Hatstat gegeben wird. Dieser Anton heißt noch Schüler und wird, von seinem Vater dem Domkapitel empfohlen, durch dieses am 6. Juni 1427 zum Domherrn angenommen. Zunächst nur als Exspektant für die nächste freiwerdende Pfründe. Diese Erledigung tritt rasch ein, durch Resignation des Johann Münch, und am 9. Januar 1428 nimmt das in seiner Winterstube im Fabrikhaus zur Sitzung versammelte Kapitel den jungen Hatstat als Kanoniker auf; zwei Tage nachher leistet er vor dem Kapitel den Eid, worauf ihn einer der Prälaten bei der Hand ergreift und zuerst in den Chor des Münsters geleitet und hier in seinen Stuhl setzt, dann die Treppe hinan in den Kapitelsaal führt und ihm hier durch Anweisung seines Platzes förmlich den Besitz von Kanonikat und Pfründe gibt.

Wir erfahren aus dieser frühern Zeit nichts über die Art des Adelsnachweises. Sie geschah wohl formlos, von Fall zu Fall verschieden. Erst seit der Mitte des Jahrhunderts, als neue bisher nicht bekannte Familien in das Kapitel einzudringen begannen, wurde das Verfahren straffer; seine endgültige Regelung fand es dann im Statut des Domkapitels vom 23. Mai 1466. Hienach hatte der Bewerber persönlich, zu Ausweis seiner körperlichen Tadellosigkeit, vor dem Kapitel sich zu stellen, in Begleit von vier Edelleuten, die seine adlige Abstammung mündlich bezeugten; über diese Erklärung wurde dann eine Urkunde, die Ahnenprobe, ausgefertigt und durch die vier Adligen besiegelt. Ihr Inhalt ist stets, daß der Bewerber von vier adligen Ahnen abstamme d. h. daß seine Großeltern väterlicher und mütterlicher Seite „von Geschlechtern gewesen seien, die von jeher für rittermäßig gegolten und den Schimpf und Ernst, wie er edlen gebornen und rittermäßigen Leuten zieme, gebraucht haben“. Die Stiftsfähigkeit war also nur vorhanden bei ehelicher, der Vorschrift gemäßer Abstammung von rittermäßigen Familien. Für die Besetzung der Doktoralpfründen wurden statt der Ahnenprobe die Bescheinigung ehelicher Geburt und das Diplom gefordert.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 651. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/130&oldid=- (Version vom 4.8.2020)