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dann wieder nur neun (1375, 1427), zehn (1428, 1510), oder aber zweiundzwanzig (1500, 1525). Nie eine komplette Reihe. Zu jeder Zeit gab es Domherren, die den Namen hatten aber keine Pfründe, oder die eine Pfründe hatten und nützten aber nicht bei ihr residierten.

Wir mögen dabei an momentanes Verhindertsein denken, an Krankheit Geschäfte Reisen. 1450 z. B. ging der Domkustos Bernhard von Ratsamhausen zum großen Jubiläum nach Rom und starb dort. Ein sehr plausibler und darum auch offiziell anerkannter Grund von Abwesenheit war auch der Besuch einer Universität. Bei der Jugend und Unerfahrenheit mancher dieser Kapitelsherren war ein Studium wünschbar und daher eine auch länger dauernde Abwesenheit gerechtfertigt; und so finden wir denn auf allen berühmten Universitäten solche Studenten, die zu Haus in Basel Domherren hießen. Was in diesen Fällen von Abwesenheit Rechtens war, faßte 1516 ein Statut zusammen: der Studierende erhielt auch während seiner Abwesenheit bis auf die Dauer von fünf Jahren die ständigen Einkünfte (fructus grossi) seiner Pfründe, dagegen nicht die Präsenzgelder; jene aber nur bei löblichem Wandel und fleißigem Kollegienbesuch, worüber er dem Kapitel ein Zeugnis des Rektors vorzulegen hatte.

Aber hauptsächlich kommt in Betracht die pluralitas beneficiorum, die Häufung mehrerer Pfründen auf eine Person. Dieser Mißstand, in allen Zeiten Ständen und Stufen der Kirche heimisch, ist dem Basler Domkapitel natürlich nicht fremd. Wir sehen, wie häufig und wiederholt sich dieses mit den Kapiteln zu Straßburg Konstanz Kolmar Beromünster St. Ursitz, überraschend oft mit demjenigen zu Lautenbach, und daneben mit zahlreichen Pfarreien in den Mann zu teilen hat; wie von den bescheideneren Kumulanten weniger Stellen das Übel ansteigt bis zu den großen und glänzenden Sündern, den pfründenreichen Lütold von Röteln, Konrad von Gösgen, Peter von Bebelnheim, Ludwig von Tierstein, Johann Münch, Hans Werner von Flachsland, Caspar zu Rhein, Niklaus von Diesbach. Die Rechte und Erträgnisse einer solchen Mehrheit von Pfründen zu genießen mochte angehen, die gleichzeitige Erfüllung der Pflichten aber war unmöglich. Daher die Absenzen, die Pflichtversäumnisse. Was Johann von Venningen 1458 in seiner Wahlkapitulation versprechen mußte: die Domherren, die Benefizien an Pfarrkirchen von Stadt und Diözese Basel besäßen, von der Residenz bei diesen von vornherein zu dispensieren propter excellentiam dignitatis der Domkirche, – mochte ein Versuch sein, dem tatsächlichen Übelstand den Schein eines geordneten Zustandes zu geben; die krasse Anstößigkeit und Rechtsverletzung wurde dadurch nicht gehoben.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 655. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/134&oldid=- (Version vom 4.8.2020)