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Denken wir dann noch an die gewöhnliche Lässigkeit, an träges oder leichtfertiges Fernbleiben, so begreifen wir die vielen Absenzen. Im Jahre 1466/67 z. B. rechnete der Schaffner dem Dompropst Johann Werner von Flachsland vier Monate Abwesenheit nach, dem Dekan Jacob Pfau und dem Arnold Truchseß je sechs, dem Hartman von Eptingen fünf, dem Kantor Johann Ulrich von Stoffeln aber deren elf! Und 1474 mußte Papst Sixtus dem Domdekan ausdrücklich befehlen, sich bei der Kirche Basel aufzuhalten, da seine häufige Absenz Kapitel und Kanoniker benachteilige.

Diesem Allem gegenüber der Begriff der pflichtmäßigen Residenz, formuliert als das ununterbrochene Anwesendsein und Versehen des Chordienstes in Basel; mit Annahme eines Amtsjahres, das vom Verenatag (1. September), später vom Remigiustag (1. Oktober) an lief, und in dessen Dauer jeder Kanoniker Anspruch auf drei Monate Ferien hatte. Während dieser durfte ihm kein Abzug gemacht werden; bei sonstiger Abwesenheit (mit Ausnahme derjenigen an einer Universität) traten solche Abzüge ein. Auch wurde 1453 das alte Recht wieder eingeführt, daß die jährlichen Korn- und Weinlieferungen des Propstes nur den anwesenden, nicht auch, wie mißbräuchliche Übung geworden, den abwesenden Kapitularen zukommen sollten. Daß daneben das Kapitel beschloß, die beim Tod eines seiner Mitglieder üblichen Exequien auch dann zu begehen, wenn der Verstorbene nicht hier residiert hatte, war anerkanntermaßen keine Schuldigkeit, sondern Zugeständnis an die fraterna caritas.


Der Dompropst ist das Haupt des Kapitels und dessen Leiter in allen äußern Dingen, namentlich in Vermögenssachen. Kantor Kustos und Scholastikus herrschen nur im Innern Leben des Domstifts. Bedeutung für das allgemeine Recht der Kirche dagegen kommt den drei großen Gerichts­- und Disziplinargewalten Bischof Domdekan und Archidiakon zu; sie haben ihre Judikaturen und Vollmachten; sie sind die „drei Herren“, die in gleicher Weise über Stadtfriedensübertretungen der Kleriker wachen und richten, wie Bürgermeister und Rat über solche der Laien.

Im Domkapitel ist der Dekan der zweite Vorsteher. Der Propst präsidiert in der Regel, aber die Einberufung geschieht durch den Dekan. Er gibt den Posseß erledigter Präbenden. Er hat von Amtes wegen die Seelsorge der Chorgeistlichen und ihres Gesindes. Er wacht über Sitte und Ordnung im Chore, wo er der Erste und der Letzte sein soll. Wichtig aber ist, daß er auch eine Gerichtsbarkeit und Disziplinargewalt über Domherren und Domkapläne besitzt. Von seiner Stellung im Stadtfriedensrechte war

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 656. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/135&oldid=- (Version vom 4.8.2020)