Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 2,2.pdf/136

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

schon die Rede. Er ist judex ordinarius prelatorum canonicorum et capellanorum; auch das Gesinde dieses Domklerus darf nicht vor weltlichem Gerichte belangt werden, sondern gehört vor den Dekan. Diesen sehen wir daher öfters Zivilklagen, die gegen einzelne Domherren und Domkapläne bei ihm eingebracht werden, entscheiden; auch über Wundtaten Verbalinjurien usw. von Domgeistlichen richtet er. Auf seine Gewalt als ordentlicher Richter beruft sich der Domdekan, da er 1493 das Testament eines Domkaplans öffnet und publiziert und 1501 die Testamentserrichtung eines solchen beurkundet.

Dem Archidiakon der Kathedrale, archidiaconus major, auch Erzpriester geheißen, steht innerhalb desselben Sprengels, in welchem an Stelle des Archidiakons der Dekan der St. Johannskapelle auf Burg die kirchliche Tätigkeit der Geistlichen beaufsichtigt, eine eigentümliche Gerichtsbarkeit zu; der Sprengel wird gebildet durch die Stadt Basel und „die sieben freien Dörfer“ (die extravagantes der Kanzleisprache) Muttenz Münchenstein Pratteln Hochwald Oberwil Allschwil Hüningen.

Der Archidiakon ist zunächst Sendrichter dieses Sprengels. Er übt eine Strafjurisdiktion, namentlich über Fleischessünden Meineid Wucher, Verletzung der Kirchen, an den periodisch stattfindenden Versammlungen, wobei sowohl Kleriker als Laien zur Verantwortung gezogen werden. Näheres über diese Sendgerichtsbarkeit des Basler Archidiakons, über ihr Verhältnis zu andern Jurisdiktionen und über ihre Dauer wissen wir nicht. Aber noch in den 1480er Jahren kann der Erzpriester Hans Konrad von Bodman sagen, daß er und seine Amtsvordern im genannten Bezirk alle offenkundigen Ehebrecher Wucherer und Feiertagsschänder, sowie alle andern offenbaren Sünder zu strafen die Macht gehabt haben und noch haben.

Neben dieser nur zu gewissen Zeiten in Wirksamkeit tretenden Sendjudikatur hat der Archidiakon aber noch seinen ständigen Gerichtshof, die curia archidiaconi, des Erzpriesters Hof. Auch dieser ist zuständig nur innerhalb des genannten Sprengels; sein Verhältnis zur bischöflichen Kurie wird bei Schilderung dieser darzulegen sein.

Endlich ist zu nennen die spezielle Funktion des Archidiakons im Stadtfriedensrechte. Während er am Send und an seiner Kurie mit der gesamten städtischen Bevölkerung zu tun hat, erhält er durch die Einungsbriefe von 1339 und 1352 eine engere Befugnis für den städtischen Klerus. Er hat Stadtfriedensübertretungen, die an Klerikern oder durch solche begangen werden, zu untersuchen und zu richten, in gleicher Weise wie dies durch den Domdekan für die Angehörigen des Domstifts und durch den

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 657. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/136&oldid=- (Version vom 4.8.2020)