Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 2,2.pdf/181

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Gesinnung auch äußerlich darstellenden Lebens in Demut, in Mangel, in Kontemplation und Anbetung, bis zu mehr oder minder starker Beugung unter Gebot und Regel.

Es handelte sich dabei um Formen, die von vornherein einer weit größern Masse Raum boten als die Klöster. Nicht nur, weil sie einem Verlangen, das sich regte, äußerlich leichtere Bedingungen stellten als jene. Auch die Schmiegsamkeit dieser Einrichtungen, ihre Anpaßbarkeit an Persönliches und Momentanes war ihr Vorzug.

Aus der Welt, zu einem Leben in Gott drängten sich Viele und griffen zu den hier sich bietenden Mitteln. Dieser, weil er sich zum Eintritt ins Kloster nicht frei machen konnte; Jener, weil er im Kloster die ersehnte reine Form seines Christentums doch nicht zu finden meinte. Andern war es nicht zu tun um den Widerstreit zwischen Gott und der Welt; sie fühlten sich verlassen und hilflos und fanden nun hier, in frommen Gemeinschaften aller Art das ihnen zusagende Asyl, die „ewige Herberge“ und Versorgung.

Für uns ist die Erscheinung faßbar in den beiden großen Institutionen der Tertiarier und der Beginen und Begarden. Aber auch noch innerhalb dieser Komplexe blieb Raumes genug für Abstufungen.

Die Tertiarier waren angeschlossen an die Minoriten und die Dominikaner als deren dritte Orden. Sie standen unter einer Regel, der sie ohne Klosterzwang mitten in Lust und Lärm der Welt und im bürgerlichen Leben folgten. Ehe Beruf Besitz nicht preisgebend, aber zu ernstem Wandel, zu Mäßigkeit ja Askese, zu geordneter Frömmigkeit verpflichtet, der Aufsicht von Visitatoren unterworfen, nahmen sie Teil an den geistlichen Besitztümern und Wohltaten des Ordens. Zwischen Kirche und Welt bekannten sie ein Gebundensein und vertraten doch zugleich die der Weltflucht nicht bedürfende Freiheit und Stärke christlichen Lebens. Aber nicht Alle dauernd. Das Mißtrauen in die eigene Kraft und der Anblick der in Klöstern sichtbar wirkenden Macht gemeinsamen Lebens führten dazu, daß manche Tertiarier die Vereinzelung ihrer Existenz aufgaben und zusammen eine Wohnung wählten. So entstanden die meist für Aufnahme von Frauen bestimmten Regelhäuser.

Den Tertiariern begegneten als ähnliche Erscheinung die Beginen. Sie waren nicht wie Jene im Anschluß an bestehende mächtige Orden entstanden; sie hatten sich, zuerst im Lütticher Sprengel, aus den religiösen Bewegungen der Zeit heraus gebildet, als fromme Frauen, die in der Welt stehend und durch keine Organisation gehalten in den asketischen Formen der Keuschheit

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 702. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/181&oldid=- (Version vom 4.8.2020)