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und Armut einem „an franziskanische Frömmigkeit erinnernden Lebensideal“ folgten. Aber auch unter ihnen wurden Viele dazu geführt, einen Anschluß zu suchen; zuletzt fanden diese das Gewünschte in einem unabhängigen Gemeinschaftswesen, in freien Vereinigungen gleichgesinnter Frauen, den Beginenhöfen oder Samnungen.

In solchen Bildern tritt uns diese Welt entgegen. Der Armut und Zufälligkeit der Überlieferung wegen ist sie schwer zu erkennen, und wie sie uns näher kommt, zeigt sie uns schon entwickelte Zustände, zeigt sie Umgestaltungen und örtliche Anpassungen.

Aber auch so ergreift sie uns als eine der eigentümlichsten Erscheinungen des XIV. Jahrhunderts, untrennbar von seiner mannigfaltigen Kirchlichkeit und seinen religiösen Kämpfen.

Wie Beginen und Tertiarier schon in den 1310er Jahren Gegenstand heftigsten Streites zu Basel waren, ist gezeigt worden. Aber dieser Streit beseitigte weder die Einen noch die Andern. Sie dauerten weiter, und nur darauf müssen wir verzichten, jede einzelne Gestalt innerhalb dieser zerfließenden Masse von Tertiariern Beginen Konversen Schwestern bestimmt zu erkennen.

Deutlicher wird die soziale Gliederung. Fast durchweg handelt es sich um niederes Volk. Nur wenige namhafte Geschlechter sind dabei wie die Glissen, von Laufen, von Schlierbach, oder gar adlige wie Eptingen und Pfirt. Irreführend häufig treten solche Damen im Beginenbereiche vor uns. Sie kaufen und verkaufen und vergaben Liegenschaften oder Zinsrechte. Sie haben Gesinde und in den Kirchen eigene Stühle. Aber neben diesen begüterten Devoten sind die armen, die geringen und namenlosen, die echteren Figuren, und das wirkliche Leben, nicht das dokumentierte, kannte vor Allem sie und nicht jene.

Vom Leben dieser Frauen erfahren wir wenig. Vereinzelt wird erwähnt, daß sie spinnen, Kerzen machen, mit Trödelwaren handeln, als Mägde dienen.

Daran schließt sich die Krankenpflege und Totenklage und vor Allem der Bettel. Der Gattungsname der „armen Schwestern“ zeigt in der Tat, daß das Schalten mit Geld und Gut bei ihnen nur Ausnahme sein konnte. Sie waren ökonomisch wie gesellschaftlich großenteils tiefstehend, auch durch ihre Mittelstellung zwischen profanem und kirchlichem Gebiete mehr verkürzt als ausgezeichnet. Dennoch hatten sie auch für die Allgemeinheit Bedeutung und erfüllten einen Beruf in eigentümlicher Weise dadurch, daß sie gleich dem Klerus überall und allezeit zu haben waren und in Devotion und kirchlicher Handreichung die sonst in den Klöstern internierte Sonderart

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 703. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/182&oldid=- (Version vom 4.8.2020)