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St. Ulrich, und ihre Bewohnerinnen dürfen die „christlichen Rechte“ nirgends sonst empfangen. Sie sollen ein heiliges göttliches Leben führen. Sie dürfen Andre zu Mitklausnerinnen annehmen. Die Erwähnung, daß der Priester zum Beichtehören u. dgl. zu ihnen kommt, scheint allerdings auf ein dauerndes Eingeschlossensein zu deuten; aber wir vernehmen zugleich, daß nicht nur der Tod dieses Eingeschlossensein lösen kann, sondern auch der Übertritt in ein noch heiligeres und andächtigeres Leben, d. h. wohl in ein Kloster.

Wie es mit den Nachfolgerinnen dieser Frauen bestellt war, wissen wir nicht. Die nach ihnen kommenden Brüder aber, auch der Bruder beim Heiligen Kreuz, waren nur noch Hüter und Siegristen der Kapellen.


Dringen wir durch diese reichgefüllte Welt aufwärts, vom Klausner an Begarden und Beginen, an Klosterleuten, an freien Klerikern, an Pfarrern Vikaren und Kaplänen, an Stiftsherren, an Domherren vorbei, so gelangen wir zur Spitze des gesamten Basler Kirchenwesens: zum Bischof.

Im Bereiche der Diözese hat er die höchste Vollmacht der sakramentalen Verrichtung, die höchste Vollmacht der Gesetzgebung und des Richtens, ist er der Inhaber des Kirchenregiments, der oberste Herr jedes Geistlichen und der oberste Priester jeder Seele, parochus universalis, Vater und Hirte des christlichen Volkes.

Daneben hat er sein weltliches Dominium, und es ist reizvoll, den innern Reichtum und die Weite eines solchen, Welt und Kirche zugleich umspannenden Herrscherwesens sich vorzustellen, zugleich aber auch zu beobachten, wie im Bereiche der Stadt diese Einheit locker wird und endlich zerreißt. Der Kampf mit dem Bischof um die Stadtherrschaft kann nur im Gedanken an dieses enge Verbundensein von Gewalten irdischer und ewiger Art richtig gewürdigt werden; ohne Zweifel stellte er manchen Städter vor ernste Gewissensfragen, wie er auch dem Bischof die Versuchung brachte, für weltliche Güter mit geistlichen Waffen zu kämpfen und um des Herrschens willen die Hirtenpflicht zu versäumen.

Die Rechte und Funktionen des Diözesanherrn bieten sich uns in aller Mannigfaltigkeit dar. Als Inhaber der höchsten Weihegewalt spendet er Firmung und Priesterweihe, konsekriert und benediziert er, erteilt er Ablaß, ordnet er den Kultus usw.; kraft seiner Regierungsgewalt besetzt er die Kirchenämter, visitiert er die Diözese, beruft er Synoden, konfirmiert er Statuten und Stiftungen, hat er die Rechte der Gesetzgebung und der

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 709. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/188&oldid=- (Version vom 4.8.2020)