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temporalibus inne und ließ das Domkapitel seine Kraft fühlen. Solche Herrschaft eines nicht zum Hochstift Gehörenden sollte fortan vermieden werden.

In der Tat finden wir seitdem nur noch Vikare in spiritualibus, die als Vertreter des Bischofs auf dem ganzen Gebiete seiner kirchlichen Regierung amtenden Generalvikare. Deutlich sehen mir auch, wie der Bischof in der Besetzung dieser Stelle sich immer freier vom Kapitel macht, der Generalvikar zum Beamten und immer mehr zur Kreatur des Bischofs wird. Noch unter Heinrich von Isny und Peter Reich zu Ende des XIII. Jahrhunderts hatten Dompröpste als Generalvikare, wohl nur in gelegentlicher Stellvertretung mit Sondervollmacht, funktioniert; später betreffen mir an diesem Amte, das mindestens seit den 1370er Jahren als ein ständiges erscheint, nur vereinzelt noch Domherren, zur Ausnahme auch einen Propst von St. Leonhard und einen Dekan von St. Peter, meist aber Domkapläne, sowie Offiziale oder Siegler des bischöflichen Hofgerichts.

Die letztere Kombination ist bezeichnend für das nahe Verwandtsein dieser beiden Funktionen der Verwaltung und der Rechtsprechung. Wir sehen den Offizial nicht nur judizieren, sondern auch kraft Spezialmandats Verwaltungsgeschäfte des Bischofs besorgen; und wenn schon die Scheidung der Kompetenzen immer bestimmter wird, so hat doch zuweilen dieselbe Person (Franz Boll 1379–1386, Bernhard Oeglin 1485, Heinrich Schönauer 1507) beide Ämter zugleich inne. Zuweilen (1446, 1456, 1502) führt bei Abwesenheit des Offizials der Generalvikar dessen Geschäfte. Bei seinen eigenen Amtshandlungen benützt er die Stube, das Personal, das Siegel der Kurie. Die Rechnungen zeigen, wie nahe die Betriebe sich sind; Administratives und Prozessuales werden durcheinander aus derselben Kasse bezahlt. Und dem Allem entspricht auch die häufige Verbindung des Generalvikariats mit dem Siegleramte.

Die Bedeutung des Vikariats wird durch solche Union nicht gemindert. Das Amt, dessen Inhaber den abwesenden Bischof vertritt und den anwesenden Bischof unterstützt, ist dem begrenzteren Auftrage, den der Offizial hat, unzweifelhaft überlegen. Der Generalvikar beherrscht das weite Gebiet kirchlicher Verwaltung und Regierung; außerdem aber hat er noch eine bestimmte richterliche Gewalt: die Jurisdiktion in Kriminalfällen.

Wie neben der Judikatur des Domdekans über kleinere Vergehen der Domkapläne dem Bischof die Kompetenz für Verbrechen dieser Leute zusteht, so ist er Richter in Strafsachen der Kleriker überhaupt und wird hiebei durch den Generalvikar vertreten. Nicht durch den Offizial; dieser lehnt

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 712. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/191&oldid=- (Version vom 4.8.2020)