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Neben den großen politischen und weltlichen Beziehungen, die auch die Geschichte unserer Stadt bewegten, handelte es sich doch vor Allem um die Leitung der Kirche selbst; aber das Eigenartige hiebei war, daß der Papst kraft seiner plenitudo potestatis nicht nur als oberste Instanz wirkte, sondern alltäglich und bis ins Kleinste mit jeder ordentlichen und örtlichen Autorität in Konkurrenz und an ihre Stelle trat.

Am stärksten zeigte sich dies in dem vom Papste geübten unmittelbaren Verfügungsrecht über alle Ämter der Kirche, im Verfahren der Provision, der Exspektanz und der Reservation. Der Papst verlieh erledigte Stellen direkt oder er gab die Anwartschaft auf Stellen für den Fall ihrer Erledigung. Das Eine wie das Andere über die ordentlicherweise zur Wahl Berechtigten hinweg. Auch machte er dies Recht geltend nicht nur für bestimmte Ämter und Personen kraft besondern Erlasses im einzelnen Falle, sondern auch durch allgemeine Bestimmungen, denen zufolge gewisse Klassen von Pfründen für immer der direkten päpstlichen Besetzung vorbehalten sein sollten.

Es war ein Verfahren, das sich nur im Allgemeinen rechtfertigen ließ aus der Anschauung völliger Unbeschränktheit der zentralen kirchlichen Regierungsgewalt und nur ausführbar war, weil diese Gewalt sich Gehorsam zu erzwingen vermochte kraft der göttlichen Vollmacht, auf der sie anerkanntermaßen ruhte. Ob und in wie weit aber das Vorgehen der Kurie im einzelnen Falle nicht initiativ, sondern durch Einflüsse oder Begehren örtlicher Natur veranlaßt war, ist mit Sicherheit nur selten festzustellen. Willkür Gunst, finanzielles Bedürfnis, bestehende Parteiungen, aber auch Notwendigkeit Einsicht Gerechtigkeit konnten wirksam sein.

Auf diesem Wege, durch päpstliche Provision, erhielt Basel seit der Erhebung Heinrichs von Isny 1274 seine Bischöfe. Immer wieder zwar hatte das Domkapitel sich seines Rechtes erinnert und eine Wahl vorgenommen; der von ihm Erkorene war dem Manne der Kurie zunächst jeweilen unterlegen. Auch die Wahl Johann Senns 1335 machte keine Ausnahme; das Kapitel hatte ihn gewählt, aber Papst Benedikt nötigte den Senn, auf alle Rechte aus dieser Wahl zu verzichten, und ernannte ihn dann seinerseits. Nach kurzer Störung dieses Verlaufs in der schismatischen Zeit wurde Regel, daß das Domkapitel jeweilen den Bischof wählte, der Papst aber unter Ignorierung oder Kassierung dieser Wahl formell den Gewählten providierte. Es war ein Verfahren, das den die Unabhängigkeit vom Kapitel liebenden Bischöfen nur willkommen sein konnte.

Der Papst blieb jedoch nicht beim Bistum stehen, sondern schaltete frei und mächtig durch alle Stufen der Basler Hierarchie hindurch. Am

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 719. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/198&oldid=- (Version vom 4.8.2020)