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zahlreichsten sind seine Ernennungen an Kanonikate des Doms und St. Peters, sowie an Kaplaneien dieser beiden Kirchen. Auch der Plebanat und einzelne Kaplaneien zu St. Martin werden gelegentlich durch ihn vergeben, ebenso die Leutpriesterei zu St. Alban. Neben Provisionen finden sich auch päpstliche Bestätigungen von Wahlen, die schon durch den Ordinarius geschehen sind, z. B. 1360 der Wahl des Otman Nieß als Leutpriesters zu St. Martin, und der Grund solcher Konfirmation wird zuweilen offen genannt: die Pfründeninhaber sind im Zweifel über die Rechtsgiltigkeit der durch den ordentlichen Kollator ihnen gemachten Verleihung und verlangen für alle Fälle die Bekräftigung ihres Besitzes durch den heiligen Vater.

Es fällt uns schwer, die Tatsächlichkeit und Erträglichkeit eines solchen Zustandes uns klar zu machen. Denn jeder einzelne Fall von Provision war ein Eingreifen in bestehende Rechte und persönliche Verhältnisse, das, wenn es auch von einer unbestreitbar höchsten Machtfülle getragen war, doch meist als gewalttätig und Vielen als widerwärtig erscheinen mußte. Dem Gewählten freilich gab es das Bewußtsein, in seinem Amte durch eine, mit keiner andern Erdenmacht zu vergleichende Autorität gedeckt zu sein. Dem Kaplan im kleinen Bereiche seiner Altarpfründe sogut wie dem Bischof, den der Papst regelmäßig durch feierliche Erlasse und Befehle an Domkapitel Stiftsvasallen Klerus und Laienvolk in seine Diözese einführte. Wie die Macht des Papsttums durch das Verfügen über den weiten Ämterbesitz der Kirche immer mehr gestärkt wurde, so hob die unmittelbare Betätigung des obersten Kirchherrn für das einzelne Amt auch dieses selbst und seinen Inhaber. In dem mächtigen direkten Zusammenhang des Allgemeinen mit dem Einzelwesen, in dieser über alle Hemmungen hinwegreichenden Kraft lag unzweifelhaft etwas Großes.

Aber das Niedere trat hinzu dadurch, daß die Ämtervergebung zum finanziellen Geschäfte wurde. Wer von der Kurie ein Amt erhielt hatte ihr für diese Verleihung eine Abgabe zu entrichten: die Bischöfe das servitium, das einen Drittel der jährlichen Einkünfte betrug; die Inhaber anderer, nicht im Konsistorium verliehener Stellen die Annate d. h. die Hälfte des an Hand der Zehnteinschatzung festzustellenden Einkommens des ersten Jahres. Daß ein solches System rasch ausartete, ist natürlich. Statt der Ämterverleihung konnte die Welt einen Verkauf von Benefizien sehen. Zum Abgabenwesen gesellte sich das Sportelnwesen, und neben den Servitien und Annaten an die Kammer selbst mußten erhebliche Beträge noch an die Kammerbeamten und Bedienten persönlich abgeführt werden. Im höchsten Grade anstößig war auch hier, wie die Kurie für Versäumnis

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 720. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/199&oldid=- (Version vom 4.8.2020)