Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 2,2.pdf/213

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und über Allem steht die Einheit, in deren Schimmer alle weltlichen Grenzen und Voraussetzungen schwinden.

So gelangen wir zuletzt zu der vielleicht lautersten Gemeinschaftsform, der Gebetsverbrüderung und Teilhaberschaft. Ihr Gedanke ist, daß die zur ewigen Heimat Eilenden nicht unterlassen sollen, sich gegenseitig die hilfreichen Hände zu reichen. Die Verbrüderung sichert die Aufnahme in das tägliche Fürbittegebet und in die Gebetshilfe nach dem Tode; darüber hinaus gewährt sie die Teilnahme an geistlichen Gütern Rechten und Verdiensten. Ideale Fraternitäten entstehen so bei Klöstern; sie greifen weit über die Klosterschwelle und können auch dem Gnadenbesitze des ganzen Ordens gelten. So gehört Hüglin von Schönegg nicht äußerlich, aber „nach dem Herzen“ zum Augustinerorden; so werden 1434 die Herzogin Isabella von Burgund und 1497 Johann Alantsee in die Teilhaberschaft aller Gebete Fasten Wachen usw. der Karthäuser aufgenommen; dasselbe gewähren die Augustiner 1463 der Anna Biderman, die Prediger 1473 der Margaretha Zscheckabürlin und ihren Kindern; so ist die Konverse Metzina Raserin 1377 den Predigern, den Augustinern, den Johannitern und den Deutschherren verschwestert. Noch mächtiger an Wirkung ist es, wenn Kloster dem Kloster, Orden dem Orden den Mitgenuß an dem durch die eigene Arbeit erworbenen himmlischen Schatze gönnt; so der Augustinerorden den Klingentalerinnen 1435, der Barfüßer- und der Predigerorden 1472 und 1473 dem Leonhardsstifte, und am reichsten begabt sind die Karthäuser: sie haben die Gemeinsamkeit aller Kräfte Gnaden und Heilsgüter des Klingentals, der Klarissen, des Gnadentals, des Barfüßerordens von der Observanz, des Predigerordens, der Klöster Schönensteinbach Engelpforte und Lichtental. Überall sehen wir einen höhern geistigen Verband, der nur das Unvergängliche der irdischen Genossenschaft festhält.

Ungeheuer ist das Gefühl dieser in den höchsten Dingen gefestigten Gemeinsamkeit. Sie erhebt auch das Lokale und scheinbar Nichtige in den Bereich eines Weltbegriffs. Die Erde ist überall des Herrn.


Nun aber sehen wir ein Stück dieses gewaltigen Ganzen hier eingeschlossen in Mauerring Friedensgrenze und Bann der Stadt.

Die Kirche präsumiert als Reich Gottes ein Leben außer, ja über der Welt und ist doch nicht nur den Nötigungen weltlichen Existierens unterworfen, sondern politisches Wesen und Machtsinn führen sie selbst dazu, ihr Reich zu einem Reiche von dieser Welt machen zu wollen.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 734. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/213&oldid=- (Version vom 4.8.2020)