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Erfüllt von universaler Kraft, Vertreterin einer universalen Kultur, ist die Kirche hier mit nichts Anderem beschäftigt als mit den Menschen dieser engen Stadt, denen sie das Höchste zu bringen berufen ist.

Als eigentümlich erscheint dabei, daß der ordentliche und oberste Vertreter der Kirche in Basel ursprünglich zugleich der Stadtherr gewesen ist und durch den Rat allmählich von dieser Herrschaft depossediert wird. Im gleichen Maße, wie der Rat aufhört Regierungsorgan des Bischofs zu sein, wird er selbständig in seinem Verhältnisse zur Kirche; seine Stellung dieser gegenüber reift mit seiner Souveränität im Politischen. Die Macht der Kirche bleibt, aber begleitet und gestützt durch eine Herrschergewalt im Weltlichen, die nicht mehr dem Bischof, sondern dem Rate zusteht.

In zahlreichen Richtungen sehen wir diesen Rat sich um rein kirchliche Dinge regen und mühen. Beim Bau von Kirchen, bei Prozessionen Reliquieneinholungen Ablaßerwerbungen usw. ist er beteiligt als der Herr der Stadt. Ist es Machtgesinnung oder Ordnungsliebe oder erhöhtes religiöses Interesse, was die Klosterreformen zu Geschäften des Rates macht? Daß seiner profanen Administration auch Kirchtürme dienen, ist unausweichlich; aber die Entwickelung des Lebens überhaupt und der obrigkeitlichen Kraft im Einzelnen führen den Rat auch zu Eingriffen in kirchliche Gebiete, in die Rechtspflege, in die Sittenpolizei, in die Begräbnisordnung usw.

Durchweg aber, auch noch in den Zeiten erstarkter Ratsgewalt, werden wir inne, daß vor Allem die Religion als gemeinsamer Besitz höchster Art und als Gesinnung Aller das Verhältnis von Kirche und Stadt innerlich bestimmt. „Kirchliche und weltliche Obrigkeit sind die zum gemeinsamen christlichen Kulturzweck zusammenwirkenden Organe der einen und ungeteilten christlichen Gesellschaft.“ Es ist ein Nebeneinander, ein nachbarliches Dasein, das bewegt und oft zum höchsten Leben gebracht wird durch die Wechselwirkung und den Wettkampf kirchlichen und weltlichen, universalen und nationalen Geistes.

Auf diesen allgemeinen Grundlagen war der Stellung der Kirche in der Stadt eine äußere Ordnung gegeben durch die Rechtsverhältnisse des Schutzes und der Privilegierung.

Bürgermeister und Rat heißen wiederholt Kastvögte oder Schirmherren des Klerus; die protectio, der obrigkeitliche Schutz, wurde in Momenten des Streites häufig als das dem Klerus Zukommende genannt.

Zuweilen war auch von Bürgerrecht die Rede. So bei den Frauenklöstern Klingental St. Klara Gnadental St. Maria Magdalena und bei den Augustinern; in den Stadtfriedensbriefen 1339 und 1352 erklärte der Rat, daß das Domkapitel und die Pfaffheit von Basel seine Bürger seien.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 735. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/214&oldid=- (Version vom 4.8.2020)