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über diesem einen posaunenden, gleichfalls vergoldeten Engel trug. Die Frauen an den Steinen erneuerten 1404 ihr „gloghus“, und von demjenigen der Augustiner erfahren wir, daß es mit Blei gedeckt war und 1460 durch den Blitz zerstört wurde. Der hohe eiserne Dachreiter der Barfüßer, der 1459 errichtet worden war, währte bis ins XIX. Jahrhundert. Wohl das schönste dieser Klostertürmchen war der vor 1423 durch Johann Kun aus Ulm gebaute steinerne Campanile der Prediger, den wir noch heute besitzen.

Wirkliche Türme, auf eigenen Fundamenten ruhende Baukörper, erhoben sich nur bei den Pfarrkirchen; auch neben St. Andreas stand ein solcher Turm, der „wendelstein“. Der Turm von St. Martin wurde sofort nach dem Erdbeben gebaut, derjenige zu St. Peter um 1430, derjenige zu St. Alban (an Stelle des im Brande 1417 vernichteten Turmes) 1435, derjenige zu St. Ulrich (der wohl gleichfalls einen 1417 zerstörten Turm zu ersetzen hatte) 1440, derjenige zu St. Theodor zugleich mit der Kirche 1422. Am Münster wurde der Georgsturm 1428 vollendet, der Martinsturm 1500.

Daß die Kirchtürme zum Teil auch Stadttürme und als solche gedacht und gestaltet waren, daß sie mit ihren Schlaguhren und Wachtstuben (Münster St. Martin St. Nicolaus) profane Funktionen offizieller Natur hatten, ist schon gezeigt worden. Namentlich aber muß das Geläute Erwähnung finden. Keine Vorstellung haben wir von der Fülle des Klanges, der damals, stets aufs neue erregt, von all den großen und kleinen Türmen, von Kirchen und Klöstern her unaufhörlich über die Stadt ging. Mit mächtigem breitwogendem Dröhnen, mit dünnem Gebimmel, mit einzelnen Schlägen. Zu Bezeichnung gewisser Stunden, als Begleit kirchlicher Feste und Begehungen, als Anzeige von Tod und Begräbnis, als Befehl und Alarm und Ruf. Eine Kraft, die das Leben der ganzen Stadt formte und führte und deren Ausbleiben, wenn ein Interdikt wochenlang ja monatelang alle Glocken schweigen hieß, schwer empfunden wurde.


Das Kirchengebäude selbst konnte zerfallen in den eigentlichen Kirchenraum und einzelne Kapellen. Wichtiger, aus dem innersten Wesen der Institution genommen, war die Unterscheidung der Kleriker- oder Ordenskirche vom Raume der Profanen, von der Laienkirche. Eine Trennung, die wir überall, auch in den Pfarrkirchen, finden; am stärksten betont in den Kirchen der Klöster, vor Allem in solchen weiblicher Konvente.

Das als Laienkirche dienende Langhaus hatte dieser Bestimmung entsprechende Dimensionen. Die meisten Kirchen, auch bei Weiberklöstern,

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 751. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/230&oldid=- (Version vom 4.8.2020)