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Freiburg 1355—1385, Berthold Kerle von Rotweil 1357, der herzoglich österreichische Leibarzt Berthold Stark 1404, 1422, die Mailänder Ambrosius Boldoni 1417 und Philipp 1412 usw. Mehrere dieser Fremden wurden hier Bürger, nahmen eine Zunft an und kauften ein Haus. Andre blieben beweglich und gingen wieder wie sie gekommen waren; so der berühmte Bologneser Elias Sabati, der während einiger Monate des Jahres 1410 hier praktizierte.

Diese Ärzte, fast durchweg phisici geheißen, beschränkten sich beinahe völlig auf die innern Schäden. Sie mieden das „Wirken mit der Hand“ und ließen sich, auch offiziell, damit charakterisieren, daß sie das „Siechenwasser besahen“ d. h. ihre Kunst auf die Harnschau gründeten.

Eine Ergänzung war daher nötig, und diese geschah durch das Scherergewerbe. Neben jene Studierten stellte es die zünftisch geschulten und organisierten Praktiker. Dies waren die mit der Hand Wirkenden, die Chirurgen. Neben dem Scheren von Haar und Bart besorgten sie die gesamte Wundarznei und führten jede Operation aus vom Schröpfen und Zahnziehen bis zur größten Amputation. Hierüber hinaus wird nur selten auch eine Therapie mit dem Eingeben von Tränken als Scherersache erwähnt.

Sorgfältig geordnet war im Rechte der Scherer das „Gebende“; gegen Gelübde und Treue verstieß, wer dem Andern über sein „Gebende“ ging d. h. den von diesem angelegten Verband auftat. So hatte auch das Aderlassen seine Regeln; kein Scherer durfte Laßbinden aushängen, außer zu den Zeiten, da gut lassen war: im Widder, in der Wage, im Schützen, im Wassermann, und alljährlich wurde die geltende Aderlaßtafel an die Wand des Zunftsaales geheftet, damit jeder Meister sie abschreiben konnte. Wiederholte Streitigkeiten Vergleiche und Sprüche galten der Abgrenzung des Scherergewerbes gegenüber dem der Bader, während die nach der andern Seite hin gehende Tendenz sich in denjenigen Chirurgen zeigte, die als „Wundärzte“ von den gewöhnlichen Scherern unterschieden sein wollten.

Durchweg haben wir bei Betrachtung dieses Schererwesens das Gefühl der bodenständigen, der angesessenen alten Kunst und Tüchtigkeit, des Jedermann Zugänglichen und Notwendigen. Die berühmte Schererfamilie der Brand zeigt sich schon im XV. Jahrhundert; einzelne Häuser, z. B. zum Sodeck am Bäumlein und zum Tiergarten an der Greifengasse, bleiben Schererhäuser durch Jahrzehnte und durch allen Wechsel ihrer Besitzer hin.

Aber was diese Ärzte und Scherer in Wirklichkeit waren, welches Ansehen sie genossen und wie viel Gutes oder Schlimmes sie vollbrachten,

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 545. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/24&oldid=- (Version vom 4.8.2020)