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der Bruderschaft, ist das helle Zentrum alles bruderschaftlichen Lebens. Auf Kosten des Verbandes wird sie bestritten; sie brennt an den Sonntagen und einzelnen Festtagen zum Gottesdienste der Bruderschaft.

Bei derselben Kirche hat die Bruderschaft ihre Grabstätte, die gleich der Kerze ihr Eigentum ist; sie kann das Grab umgittern schmücken überdachen; der Stein trägt ihr Wappen oder Zeichen. Stirbt ein Bruder und hat er seine „Leichnamsruhe“ in diesem Grabe der Bruderschaft erwählt, so wird er dort bestattet, und jeder Bruder ist seiner Bahre zu folgen verpflichtet, „weil solche Bestattung die letzte Ehre und der Seele Heil berührend ist“. Der Sarg ist überdeckt mit dem goldnen Tuche der Bruderschaft und umglänzt von ihren brennenden Kerzen; am Bruderschaftsaltare wird für den Verstorbenen die Seelenmesse gefeiert; ebendort geschieht jährlich an bestimmten Tagen die Feier des Kollektivanniversars für alle Mitglieder.

Für die Leistungen der Kirche — Messe Predigt Totenofficium Jahrzeit usw. — hat die Bruderschaft ein gewisses Entgelt zu zahlen.


Zu Beginn des XIV. Jahrhunderts steht das Kirchenwesen in vollen und reichen Formen vor uns. Aber noch nicht ausgewachsen und als fertige Erscheinung. Diese Zustände, wie schon ihre bisherige Schilderung uns gelehrt hat, wandeln und entwickeln sich unaufhörlich.

Wir sehen sie jetzt sofort wieder durch heftige Bewegungen aller Art erschüttert, durch Kämpfe der Päpste, der Könige, der Bischöfe, durch Zwietracht des Klerus, durch Irrglauben und Widerstand.

Inmitten solcher Unruhe ist uns ein Erkennen religiösen Lebens, das ja an und für sich schon dem Fassen und Formulieren ausweicht, doppelt schwer gemacht.

Als sein häufigstes Dokument betreffen wir die Vergabungsurkunde. Gerade in diesen Jahrzehnten sind es mächtige Geschenke an die Kirche, die wir vor uns haben: Stiftungen von Kapellen, Stiftungen von reichen Pfründen, Gründungen ganzer Beginenkonvente. Mit den zahlreichen kleinen Opfern zusammen zeigt sich eine Fülle devoter Leistung.

Wir müssen freilich bei jeder dieser Gaben fragen: ist sie das Handeln eines Menschen, der in lebendiger Überzeugung den Lehren der Kirche folgt und dient? oder das Werk matten Gewohnheitschristentums? Nur Erfüllung dessen, was üblich schicklich und standesgemäß ist? Wirkt eine gesteigerte religiöse Empfänglichkeit, eine tiefe Erregung, die sich selbst und

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 787. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/266&oldid=- (Version vom 4.8.2020)