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Aber es ist unmöglich zu sagen, inwieweit die Vorwürfe der Kirche, die nach 1400 durch Mulberg und Andere laut wurden, die Masse dieser verschiedenen Existenzen trafen und inwieweit wir während dieser Periode mit einem ausgedehnteren häretischen Treiben in Basel zu rechnen haben.

Daß Bekenner von Irrlehren hier lebten, wird nicht zu bestreiten sein. Aber ihr Wesen und ihre Tätigkeit bleiben uns verborgen. Eine einzige Gestalt aus diesem Kreise wird erkennbar vor uns hingestellt: der große und weitberühmte Ketzer Niklaus von Basel, ein Begarde. Er gehörte zur Sekte vom freien Geiste; um des mächtigen Einflusses willen, den seine Persönlichkeit ausübte, hat er als ein Hauptvertreter dieser pantheistischen Bewegung zu gelten, nach deren Lehre der Vollkommene auch die sündliche Handlung ohne Sünde vollbrachte und die Person und das Werk Christi, die Kirche und die Sakramente keine Bedeutung mehr hatten. Daß er aus Basel stammte oder zuerst hier auftrat, dann auswärts, meist im Rheingebiet unterhalb Basels, lebte und lehrte, zeigt sein Name und erzählt Nider. Zwischen 1393 und 1397 starb er zu Wien für seine Überzeugung auf dem Scheiterhaufen.


In die Zustände starker Zersetzung kirchlichen Lebens traf nun noch die Katastrophe des großen Schisma.

Diese Spaltung war vorhanden, seitdem der am 8. April 1378 in Rom rechtmäßig gewählte Urban VI. am 20. September 1378 durch die Wahl einiger Kardinäle einen Gegenpapst erhalten hatte, der sich Clemens VII. nannte.

Den furchtbaren Zustand der Kirche, der diesem Ereignisse folgte, vermögen wir uns nicht vorzustellen. Ihre Rechtsordnung war aufs tiefste erschüttert, ihre Autorität allen Fragen und Zweifeln ausgeliefert, das Gewissen jedes Gläubigen bedrückt und geängstigt. Und ohne Weiteres wurde dieses Schisma auch zum Gegenstande weltlicher Politik. Die kirchliche Trennung verband sich mit nationalen Gegensätzen.

Das Abendland war in zwei Lager geteilt; der größte Teil Deutschlands, aber auch England Polen, der Norden, die Mehrzahl der italiänischen Staaten anerkannten Papst Urban, während vor Allen Frankreich und Spanien zu dem in Avignon residierenden Clemens hielten.

In Basel erklärte sich Bischof Johann sofort für Clemens; und diese Obedienz galt auch seinem Nachfolger Imer. Bis im Frühjahr 1383, im Zusammenhange mit politischen Bewegungen, Bischof Imer samt der Mehrheit

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 798. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/277&oldid=- (Version vom 4.8.2020)