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abnahmen, daß die Vorsteher dem Einzelnen Geißelung Fasten Gebet usw. als Buße auferlegten. Auch darin erkannte man eine Verfehlung, daß sie obwohl stark und gesund vom Bettel lebten oder sich am Tische frommer Leute sowie aus Jahrzeitstiftungen ernähren ließen, daß sie in diesem Leben „williger Armut“ eine Nachfolge Christi erkannten und sich selbst für die Vollkommenen hielten.

Den Tertiariern, die sich als solche geltend machten, sich auf Privilegien beriefen und von den Barfüßern sekundiert wurden, warf man entgegen, daß ihr Tertiariertum nur eine Maske sei und ein Name, ihr wahres Wesen aber, wie es sich in Tracht Lebensformen und Ritus ausspreche, beginisch.

Und wollte man das Tertiariertum auch anerkennen, so galt auch bei ihm die Verwerflichkeit des Lebens vom Almosen; den Behauptungen der Barfüßer gegenüber, daß um Christi willen betteln und vom Erbettelten leben ein Ding christlicher Vollkommenheit sei, wurde erwidert, daß die Kirche solchen Bettel einzig den vier Orden der Mendikanten gestatte, die Tertiarier aber nicht Ordensleute sondern arbeitsfähige Laien seien.

Unter diesen Parolen wurde der Kampf begonnen und geführt. Es waren Überzeugungen und Lehrsätze, die als solche auf Seite der Angreifer wohl nur für Johann Mulberg Alles bedeuteten. Dieser Mulberg, einst ein armer Kleinbasler Schuhflicker, der erst als Mann in die Abcschule ging, dann aber rasch vorwärts kam, Gelehrsamkeit erwarb, Dominikanermönch und beliebter Prediger wurde, steht auch in diesem Streit als ein gewaltiger ernster Mensch vor uns, der nicht seiner Persönlichkeit und ihrer Geltung lebte, sondern sie völlig der ihm heiligen Sache dahin gab. Das war die Kirche und ihre Reform. Schon in den Konventen zu Colmar Würzburg und Nürnberg hatte Mulberg dafür gewirkt; jetzt focht er dafür in seiner Heimat, und daß dieser Prediger mit der unvergleichlichen Macht des Wortes, dieser Mann ohne Furcht und Schonung nicht ein fremder internationaler Mendikant war, sondern ein Basler Stadtkind, gab seiner Tätigkeit ein Leben eigener Art.

Neben ihm wirkte hauptsächlich Humbert von Neuenburg in der Pflicht des Bischofs und mit der Macht des Ordinarius gegen Auflehnung Unordnung und Ketzerei. Nur daß ihn noch Andres zum Kampfe trieb, als eine feste, sich ganz genügende Überzeugung: der Einfluß des Domschulmeisters Johann Pastoris, der seinerseits durchaus von Mulberg sich bestimmen ließ; vielleicht auch eine persönliche Neigung zum Clementismus den urbanistischen Barfüßern gegenüber; vielleicht sogar die Aversion des

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 805. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/284&oldid=- (Version vom 4.8.2020)