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vornehmen Herrn, dem es in dieser ganzen Beginenwelt zu sehr nach kleinen Leuten roch.

Außerdem standen auf der Seite Mulbergs der ganze Predigerkonvent und in bedeutsamer Weise die Plebane der Großbasler Pfarrkirchen.

Angegriffen waren die Begarden Beginen Tertiarier, mit ihnen die Barfüßer. Diesen gab Mulberg die härtesten Worte; die Beobachtung der von der Kirche verfluchten Riten der Beginen und der Glaube an diese Irrlehren wurde auch ihnen zur Last gelegt. Man beschuldigte sie, einfältige Seelen zu verführen. Sie sollten verkündet haben, daß Keiner, der zur dritten Regel gehöre, verdammt werden könne; ein Tertiarier, der sterbe, werde am nächsten Franziskustag in den Himmel fahren.

In den Angriffen auf die Barfüßer traf Mulberg mit andern Tendenzen seiner Allierten zusammen, nämlich mit der Antipathie der Dominikaner und dem Hasse des Weltklerus. Wir sehen den Streit um die Pfarreirechte auch in diese Beginensache hineinspielen. Als die Tertiarierin Agnes von Witliken, die in der Samnung des alten Spitals saß, ihrem Gemeindepfarrer zu gehorchen und ihn als den obersten Richter ihrer Seele zu ehren erklärte, wurde sie von der Regelmeisterin und vom Barfüßerlektor aufs härteste angefahren: „dieser Pfarrer ist dein Teufel; man sollte dich verbrennen darum, daß du ihm untertan sein willst; Gott allein ist Richter deiner Seele“. Szenen solcher Art bezeugen eine allgemeine Auffassung. In denselben Jahren, die den Beginensturm losbrechen sahen, hatte auch der Kampf um die Begräbnisquart sich aufs heftigste erneuert; und während die Prediger sich dabei rasch zu Vergleichen bereit fanden, machten die Barfüßer steife Nacken und ließen es zum Prozeß kommen. Sicherlich war es Manchen, die im Kampfe neben Mulberg standen, weniger um die Beginen zu tun als um die für sie eintretenden Mönche. Daß man diesen vorwarf, sie hätten Dem und Jenem wider seines Pfarrers Willen, heimlich, ohne Glocke und Licht, unfeierlich im Kuttenärmel die Eucharistie und das heilige Öl gebracht, war nur ein einzelner Vorwurf aus einem umfassenden Übelwollen. Jetzt war der Anlaß da, um den mit so großem wohldiszipliniertem Anhang arbeitenden Konvent zu treffen. Schon die Anfänge dieses Kampfes aber brachten soviel Leidenschaft und Gewalttat, daß kein Zurückweichen, kein Verständigen mehr möglich war.

Im Jahre 1400 begann der Streit und wurde, nach den ersten Äußerungen der Beginenfeinde, zur öffentlichen Angelegenheit durch die um Allerheiligen stattfindende Disputation, in welcher der Barfüßerlektor Buchsman das „liebevolle Umfangen der Bettelarmut als einen Stand evangelischer

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 806. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/285&oldid=- (Version vom 4.8.2020)