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Stettin usw. Aber trotz solcher Dürftigkeit sind diese paar Gestalten von Basler Häretikern nicht ohne Leben. Mitten in den mannigfaltigen Ahnungen und Bestrebungen jener Zeit suchen sie, dem lauten Eifer der offiziellen Kirchenreformer gegenüber, eine tiefere Ruhe und Heiligung und hoffen sie zu finden ohne Papst, ohne Priester, ohne Mönche und Theologen.

Auch der städtische Rat verlangt nach dem Heile. Aber er kann dabei der Kirche nicht entraten. Eine Reform erscheine ihm als notwendig, sagt er, weil es in der heiligen Christenheit übel stehe mit dem Glauben und mit viel andern Sachen; der ewige allmächtige Gott müsse um Hilfe angerufen werden, und solch Flehen geschehe durch ehrbare geistliche Leute besser und wirksamer als durch andre sündige Menschen.


Diese Worte weisen auf den weiten Hintergrund, den solche lokale Regenerationsarbeit hatte, auf eine allgemeine Bemühung der Kirche um Reform ihrer Sitten und ihrer Verwaltung. Das Bedürfnis hatte schon Generationen mit Unruhe erfüllt; in den furchtbaren Erlebnissen des Schisma war es allgemeiner und stärker geworden.

Was nunmehr den ungeheuren Inhalt dieser Jahrzehnte ausmachte, war das Zusammentreffen der Reformideen mit der konziliaren Bewegung. Dem Konzil wurde gerufen, damit es die Einheit der zerrissenen Kirche wiederherstelle vermöge der Autorität, die einer allgemeinen Kirchenversammlung zukomme. In der dann tatsächlich wieder geeinten Kirche aber trat das Konzil keineswegs wieder zurück, meldete sich vielmehr nur um so stärker mit seinem Anspruche, gegenüber dem päpstlichen Primat Repräsentant der Gesamtkirche und Inhaber der obersten Kirchengewalt zu sein. Es bezeichnete dabei als seine Aufgabe eine Generalreform des Kirchenkörpers an Haupt und Gliedern. Dem entgegen stand das alte einzige und heilige Papsttum, das sich aus seinen Ruinen erhoben hatte und zum Kampfe mit allen Konzilsgedanken entschlossen war. Es erklärte auch seinerseits, sich der kirchlichen Reform annehmen zu wollen.

Solchergestalt beherrschten die beiden großen Probleme Konzil und Reform die Zeit. Dem Konzil gaben die Versammlungen zu Pisa 1409, zu Konstanz 1414—1418, zu Siena 1424, zu Basel 1431—1448 Gelegenheit, sich und seine Kraft zu produzieren.

Von der faktischen Ausübung einer zentralen Kirchengewalt durch das Basler Konzil und seinen Papst ist hier nicht zu reden. Auch nicht von der Liberalität, mit der diese Mächte den Kirchen Basels Privilegien und Indulgenzen spendeten, Konservatoren gaben, Stiftungen machten usw.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 816. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/295&oldid=- (Version vom 4.8.2020)