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scheren, keine Musikinstrumente haben, in den Zellen keinen Lärm machen; in den Chor sollen sie eintreten ohne Gepolter und Schreien, während des Gottesdienstes ruhig in ihren Stühlen bleiben, sich des Schwatzens Witzemachens und Spielens enthalten.

Dies war Klosterleben zu St. Leonhard, eine desolacio irreparabilis. Aber Arnold richtete nichts aus.

Erst dem energischen Vennigen gelang es, „das verlorne Schaf in die Hürden zurückzubringen.“ Er griff zu, säuberte das Kloster von allen Insassen und übergab es am 14. Dezember 1462 dem Generalkapitel der Windesheimer Kongregation, die sich nun zur Übernahme entschlossen hatte.

St. Leonhard kam damit unter die Herrschaft derjenigen Reform, die vom Kloster Windesheim bei Utrecht aus den Orden der Augustinerchorherren weithin ergriff. Die Eigentümlichkeit Windesheims war, daß es eine klösterliche Gestaltung des bei den Brüdern vom gemeinsamen Leben geltenden Wesens bot. Zu der stillen Frömmigkeit, dem gemeinsamen Fleiße, der besonnenen Askese der Fraterherren traten hier die Ordensgelübde und eine bindende Regel. Auch diese Reform bewegte sich ganz in den Formen und Lehren der Kirche; sie brachte Ernst und demütigen Gehorsam, strenges Einhalten des Armutsgebotes, doch ohne Bettel, eine Beschäftigung der Mönche namentlich mit Abschreiben der heiligen Schrift und der Kirchenväter.

Im Juni 1464 nahm Windesheim von dem Basler Hause Besitz. Aber ausdrücklich wurde dabei seitens des Bischofs bedungen, daß die Übergabe an die Kongregation nur gelte quoad observanciam; das Verhältnis des Klosters zum Bistum und die Jurisdiktion des Bischofs sollte dadurch nicht beeinträchtigt werden. Auch hinsichtlich gewisser Einzelheiten wurden der nun beginnenden strengen Disziplin gegenüber Vorbehalte gemacht: die Frauen aus der Gemeinde sollen auch künftig am Allerseelentag und an den Jahrzeittagen die Gräber im Kreuzgange besuchen dürfen; Leichenbegängnisse und Hochzeiten sollen fortan bei einem der Altäre außerhalb des Chores gefeiert werden; Orgel und Glocken sollen der Kirchgemeinde wegen in Gebrauch bleiben.

Das geläuterte Leben, das unter der Herrschaft der devocio moderna nun in St. Leonhard waltete, aus den Akten nachzuweisen, geht nicht an. Die Wirkungen der Reform ergeben sich auch hier aus einem Stillewerden; wir hören keine Klagen mehr. Aber auch sonst läßt sich das Kloster in dieser spätern Zeit kaum mehr vernehmen. „Ernst ob dem altor, zucht in dem kor, das ist unser labor“ schrieben jetzt die Mönche über ihre Chorstühle.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 831. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/310&oldid=- (Version vom 4.8.2020)