Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 2,2.pdf/330

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Statuten werden erlassen oder frisch formuliert, eine Kirchenbuchführung wird begonnen. Es ist ein Durchmustern und Bereinigen aller Ordnung und Administration sowie der kirchlichen Zugehörigkeit, daher auch Bekehrung und Taufe von Juden jetzt häufiger geschehen, die Ketzerpolizei eine neue Organisation erhält, die Termingrenzen der Dominikaner revidiert werden.

Auch bedient sich die Kirche sofort der neuen Kunst des Buchdruckes für ihre Bedürfnisse. Jetzt kann der Bischof den Pfarrern seine Erlasse über Münsterbau und Ablaß gedruckt zustellen; er kann Agenden Breviere Gradualien usw. im Drucke verbreiten. Indem aber die Kirche nicht nur für administrative Erlasse, für Zitationen Interdiktsverkündigungen u. dgl., sondern auch für liturgische Zwecke sich der neuen Möglichkeit der Vervielfältigung und Publikation bedient, kommt sie zur Revision dieses liturgischen Materials und weiterhin zur Aufstellung einheitlicher Formen für die ganze Diözese. Erst die gedruckte Agende bringt an Stelle bisher möglicher lokaler Bräuche und Vorbehalte die völlige Gleichheit des Kultus. Die Verwendung des Druckes an Stelle der Schrift gibt der kirchlichen Äußerung überhaupt einen neuen Charakter. Durch den Gedanken dieser an keine Grenzen gebundenen Vervielfältigung wird sie leichter geschmeidiger. Zu jeder Predigtsammlung, jedem Andachtsbuch, jeder Bibelausgabe tritt nun, da sie aus den Pressen Richels Keßlers Amerbachs usw. hervorgehen, die Vorstellung der unzähligen Menge von Lesern und Hörern, die gleichzeitig diese Bücher erhalten und unter ihre Wirkung kommen.

Bemerkenswert ist nun auch, daß diese Zeit eine neue Beredsamkeit, einen neuen Stil in die kirchlichen Urkunden bringt. Namentlich in den Arengen von Briefen über Meßstiftungen Vergabungen usw. zeigen die Variationen der traditionellen Formel, wie der Gegenstand von allen Seiten her neu gewendet und betrachtet wird; die Empfindung ist breit und reich ausgesprochen; die Sätze wachsen und sind auch gehaltvoller an Gedanken.


Vor Allem vollzieht sich jetzt der Kultus nicht nur mit erhöhter Pracht, sondern überhaupt in einer Weise, die dem Bedürfnisse starker und Viele umfassender Erregungen gemäß ist.

Kultusgebäuden und Geräten wird eine, über alle bisherige Beschäftigung mit diesen Dingen weit hinausgehende Pflege zu Teil. Sie ist getragen durch das unruhige, schwer gestillte, zugleich hochbefähigte Wesen der Zeit.

Die Restauration der St. Martinskirche 1451 leitet auf würdige Weise die Periode ein, und von da an ist kein Ruhen und kein Genügen mehr.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 851. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/330&oldid=- (Version vom 4.8.2020)