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durch Schaffung eines starken Vorbildes und Musters die Plebane zur Besserung des Wesens ihrer Predigt nötigen und erziehen. Daher an vielen Orten die Schaffung eigener Predigtämter neben den Leutpriestereien, und überdies unter Benutzung des Buchdrucks die Verbreitung zahlreicher homiletischer Sammlungen und Hilfswerke.

In Basel scheint das äußere Bedürfnis von Predigtämtern nicht stark zu sein. Wenn auch der Wert der einzelnen Predigt im Durchschnitte wahrscheinlich gering ist, sorgen doch Pfarrgeistlichkeit und Ordensleute für häufiges Predigen, und so erklärt sich, daß die Stadt trotz ihrer Größe zunächst mit einem einzigen Predigtamte auskommen kann. Aber weil dieses an der höchsten Stelle und im Zentrum der Kirche entsteht, erhält das ganze Predigtwesen von ihm sofort einen starken Impuls.

Durch Bischof Arnold wird diese Münsterpredikatur geschaffen, in Ausführung des Konzilsbeschlusses von 1438, der jeder Domkirche die Pflicht auferlegt hat, für die Bildung des Diözesanklerus und Unterweisung des Volkes einen Prediger anzustellen. Die nächste freiwerdende Domherrnpfründe wird für einen solchen Prediger bestimmt, auch eine Kaplaneipfründe zu besserer Dotierung des Amtes herangezogen; im März 1456 gibt Papst Kalixt diesen Anordnungen seinen Konsens. Bischof und Domkapitel suchen nun auf den deutschen Universitäten nach einem geeigneten Manne; aber noch im August 1457 ist keiner gefunden. Endlich wird der Straßburger Münsterpfarrer Kreuzer für die Stelle gewonnen; am Heinrichstage 1459 hält er seine erste Predigt in der Kathedrale von Basel.

Wir haben es mit keinem Pfarramt, keinem Seelsorgeamt zu tun, sondern mit einer Predikatur. Der Domprediger soll dem Volke das Wort Gottes verkündigen, nicht selten, sondern häufig, am Sonntag Montag Mittwoch Freitag jeder Woche, in der Advents- und Fastenzeit aber täglich. Außerdem soll er wenigstens ein- oder zweimal im Jahre dem Klerus einen lateinischen Sermon halten und daneben von Zeit zu Zeit für die Priester theologische Vorlesungen und Disputationen veranstalten. Er ist also nicht nur Volksprediger, sondern auch Lehrer des Klerus. Er heißt concionator ac preceptor. Diesen Forderungen entspricht die Ausstattung des Amtes mit einer eigenen Bibliothek und seine Besetzung mit wissenschaftlich hochgebildeten Männern. Das Amt ist geschaffen „zur Ausbreitung des rechten Glaubens, zum Seelenheile der Gläubigen, zur Mehrung des Gottesdienstes im Münster“. Aber nicht nur im Blick auf Gemeinde oder Bereich des Münsters. Das Amt hat mehr als nur städtische Bedeutung; zu Grunde liegt ihm, wie dem Plebanat, die umfassende Vorstellung eines Wirkens auf

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 855. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/334&oldid=- (Version vom 4.8.2020)