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Von allgemeiner Bedeutung ist das Erstarken der Devotion zu St. Heinrich. Es ist nicht der Kult eines Wunderheiligen, sondern eine menschliche persönliche Beziehung, die dankbare Huldigung an den Wohltäter von Kirche und Stadt. Aber erst jetzt, ein volles Jahrhundert nach der Promulgierung dieses Kultus in Basel, zeigte sich ein lebendigeres Erfassen. Es beginnt mit Bischof Friedrich und findet Ausdruck in einem Glasgemälde des Münsters und im Siegel des Dompropsts. Dann rasch wächst die Verehrung und zeigt sich allenthalben: in Altarpatrozinien Gemälden Statuen Inschriften Datierungen Zinsterminen; auch die Stadt nimmt hieran Teil. Sie wählt den Heinrichstag für die Beschwörung des Bundes 1501, sie schmückt das neue Rathaus mit dem Bilde des Kaisers und stiftet bei Beendigung des Baues die festliche Heinrichsmahlzeit.

Neben Kaiser Heinrich tritt jetzt auch der alte Basler Pantalus mehr hervor und macht seine Ansprüche auf Verehrung geltend.

Und als merkwürdige Einzelheit zeigt sich uns endlich die Andacht zu Ludwig Aleman, der vor wenigen Jahrzehnten erst als Kardinal von Arles und Führer des Konzils in Basel gelebt hat. Sofort nach seinem Tode, 16. September 1450, ist er wundertätig und wird vom Volke seiner Diözese Arles als Heiliger verehrt. Der Basler Karthäuser weiß schon früh davon zu berichten, und eine besondere Verehrung umgibt diesen Heiligen in der Familie Kilchman; an ihrem Kirchenstuhle zu St. Theodor hat sie sein Bildnis und im Familienschatze sind zwei Silberschalen, die der „lieb heilig sant Ludwig“ einst der Großmutter selig ins Kindbett geschenkt hat; nach ihm genannt ist der fromme Ludwig Kilchman.

Hoch über diesen großen und kleinen, alten und neuen Heiligen lebt in lichten Glorien die Madonna. Ihr Kultus wächst jetzt in erstaunlicher Weise und folgt dem Bedürfnisse durch fortschreitende Zerlegung seiner großen feierlichen Einheit in Einzelfeste. 1441 wird das Fest der Heimsuchung proklamiert, 1466 dasjenige der Darstellung; der Karthäuserprior Arnolds wirkt begeistert für das Fest der sieben Schmerzen; die Dominikaner haben ihre Rosenkranzandacht; daneben geht in ungeminderter Macht der Streit um die erbsündefreie Empfängnis einher, der die Konzilien beschäftigt, die großen Orden und die frommen Literaten entzweit. Wie aber dem feierlich geordneten Ave Maria-Läuten, das 1393 durch den Administrator Friedrich eingeführt worden ist, seit 1439 das in allen Kirchen und zum Teil mit maßloser Häufung gestiftete Salve Regina-Singen folgt, so schwillt der ganze Mariendienst überströmend an. Er ist das Echo des eigenen Lobgesangs U. L. F. In Bildern aller Art, in Legenden und Dichtungen,

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 859. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/338&oldid=- (Version vom 4.8.2020)