Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 2,2.pdf/339

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ja in schwärmerischen Urkundenarengen führt er die Empfindung von scheuer Andacht weiter zu traulicher Verehrung einer Mutter, ja bis zu sinnlich menschlicher Lyrik und Leidenschaft.

Die Devotion heftet sich nun auch bedeutungsvoll an bestimmte Zeiten. Wie man an jedem Sonntag der Auferstehung Christi gedenkt, so an jedem Freitag seines Todes. Zur Heiligung dieses Tages durch Fasten, durch Vermeidung von Rats- und Gerichtssitzungen usw. tritt die besondere Weihe des alle Gläubigen zum Gebet auffordernden Mittagsgeläutes. Dem Ritus andrer Diözesen entsprechend scheint dieser Brauch in Basel schon zu Beginn des XV. Jahrhunderts eingeführt worden zu sein; aber da er jetzt, in den großen Erlassen Bischof Caspars von 1482, 1485, 1491 anbefohlen wird, erscheint er wie etwas Neugefundenes, und Stiftungen Einzelner sorgen nun noch für seine besondere Pflege und Mehrung.


Die Andacht erhält auch neue, an sich selbst schon verdienstliche Formen.

Vorweg zu erinnern ist hiebei an das, einst bei den Geißlern üblich gewesene „Kreuzweis Beten“. Es ist das Gebet mit ausgespannten Armen, in Nachahmung des gekreuzigten Christus; Denjenigen, die in solcher Weise während der Messe ihre Gebete verrichten, wird hier 1502 durch den Legaten Raimund Peraudi und durch Tristan von Salazar Ablaß verheißen.

Wichtiger ist die Form der Bruderschaft. Nichts Neues freilich. Es sind Organisationen und Ziele, die auch der frühern Zeit schon vertraut gewesen. Was den Unterschied begründet, ist auch auf diesem Gebiete das Gehäufte und Überschwängliche. Alles bewegt sich jetzt in gesteigerter Lebendigkeit. Das Christenvolk scheint neu inne zu werden, wie viel Vorteile Gnaden und Herrlichkeiten sich in dieser Form darbieten; die Kirche ihrerseits, in den Bruderschaften ein geeignetes Werkzeug zur Leitung und Beherrschung von Massen erkennend, animiert mit allen Mitteln; sie leiht dem bruderschaftlichen Wesen Glanz und eigentümliche Attraktionen, namentlich durch Ablässe sowie durch Aufnahme der Mitglieder in die Gemeinschaft aller guten Werke eines Klosters oder Stifts. Dem entspricht, daß jetzt auch innerhalb ihrer selbst die Verbrüderungen und Teilhaberschaften der Orden Klöster usw. sich häufen.

Das mächtigste Leben strömt in diese Genossenschaften aus der Verehrung einzelner Heiliger. „Jede Rotte oder Gesellschaft, ein jedes Handwerk, eine jede Begangenschaft Hantierung und Übung hat einen neuen oder erneuten heiligen Patron“, sagt Anshelm. Wie das engverbundene und verpflichtete Gefolge eines hohen Herrn erscheint die Bruderschaft. Mit

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 860. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/339&oldid=- (Version vom 4.8.2020)