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endlich ist die Wallfahrt des Niklaus von Eger, der in Basel Folterknecht gewesen ist, sich bekehrt hat und 1447 nach San Jago pilgert.

Aber erst was zu diesen Fahrten nach entlegenen Gnadenörtern hinzutritt, ist das eigentliche Wallfahrtswesen. Im Einzelnen kaum bezeugt, aber als Ganzes ein Hauptstück der Volksfrömmigkeit. Kein korrekt andächtiges Leben ist zu denken, zu dessen normalen und häufigen Leistungen nicht die Wallfahrt gehört. Nicht um jene fernen Orte handelt es sich meist, sondern um nahe. Vom Veitstanz Befallene suchen Heilung bei St. Valentin in Rufach, vom „bösen Geist Besessene“ bei St. Anstett; der augenkranke Heynlin hofft bei St. Ottilien zu genesen; und neben diesen Orten eines mit Heilkraft begabten Heiligen gelten die zahlreicheren Stätten der segensvollen und berühmten Andacht. Statt des einsamen Pilgers sehen wir den Wallfahrerzug und Schwarm, der sich zum Heiligtum, zum Gnadenbilde, zum Platze des geschehenen Wunders drängt. Jedes Mirakel ruft sogleich dem Strome der andächtig Neugierigen, und die Kirche selbst schreitet zuweilen dagegen ein, daß ihr Volk diesen Dingen bis in die Berge und Wälder nachläuft. Dies ganze, beinah alltägliche Wallfahrtstreiben entbehrt jedenfalls der jenen Pilgerreisen eigenen Größe der Sehnsucht und des Wagemutes. Was in ihm lebt, kann neben der glühendsten Andacht und der gehorsamsten Kirchlichkeit auch die unruhige Sucht nach dem Aufregenden, die Mode, die ganz äußerliche Freude am Leben auf der Wallfahrtstraße sein. St. Chrischona, die Himmelspforte, Eichsel MariazurEich bei Blotzheim St. Beatus St. Apollinaris Mariastein sind Orte, nach denen die Basler wallfahren, und gerade Mariastein, das erst in dieser Zeit von sich reden macht, ist ein Zeugnis dafür, wie die Kirche mit Geschick stets neue Einrichtungen zu inszenieren versteht und wie auch im Bestande der Gnadenorte frische Wirkungen an Stelle alter und abgebrauchter treten können. Andre Wallfahrtsziele sind Meltingen Säckingen Wittersdorf Thann, seit 1491 die heilige Eiche bei Drei Ähren. Nach dem ehrwürdigen Einsiedeln wird namentlich zum Feste der Engelweihe, alle sieben Jahre, gepilgert; hier läßt ein dankbarer Pilger aus Basel, der Tuchmann Heinrich von Schlierbach, bei der Wiederherstellung der 1465 ausgebrannten Gnadenkapelle das Chörlein oberhalb des Altars auf seine Kosten wölben und malen.

Verschieden von diesem Allem, ohne örtlichen Charakter, das Werk einer plötzlichen allgemeinen Ekstase, ist die große Kinderwallfahrt nach dem St. Michaelsberge in der Normandie. Im Dezember 1457 zieht ein Schwarm dieser Wallfahrer auch durch Basel; den von hier sich anschließenden Kindern gibt der Rat acht Aufseher und Hüter mit.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 863. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/342&oldid=- (Version vom 4.8.2020)