Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 2,2.pdf/345

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fallen an den Bischof und die Münsterfabrik. Dies die Bestimmungen; aber wie lebensvoll ihre Ausführung ist, wie von allen Seiten das Volk zum Ablaßtische sich drängt, wie diese „Fahrt der römischen Gnade“ mit ihrer plötzlichen Anhäufung von Fremden zu einer Angelegenheit der ganzen Stadt wird, zeigen deutlich die Ordonnanzen des Rates über Torhut Wachtdienst Löschdienst Straßenpolizei Einquartierung Geldwechselkurs. Was von dem Allem geblieben, ist die aus Indulgenzgeld angefertigte große Scheibenmonstranz des Basler Domschatzes mit dem Bilde des Pius.

Sodann ergreift die große allgemeine Aufregung des Jahres 1500, das vom unwürdigsten aller Päpste verkündigte Jubiläum und dessen Ablaß, auch Basel. Dieser Ablaß ist Denen verheißen, die nach Rom wallfahren, dort beichten und die sieben Basiliken besuchen; jetzt wird solche Gnade den Gläubigen in ihre Heimat gebracht. Der Ablaß kann auch in Basel gewonnen werden; das Steinenkloster erhält die „gnod und stacion der sieben houptkirchen Roms“, ebenso das Barfüßerkloster, ebenso das Predigerkloster. Auch für St. Theodor verlangt der Rat indulgentias stationum urbis Romæ. Überall in den Kirchen entfaltet sich dasselbe Bild: um die sieben geschmückten Altäre, deren jeder den Namen einer der römischen Kirchen trägt, um die Beichtstühle und um den Tisch mit der Kasse, wo der Papst „das Himmelreich verkauft“, drängt sich der ganze Oberrhein; es ist ein Marktgewühl trotz der Weihe des Kirchenraumes, trotz der Predigt und dem vom Lettner niedertönenden Gesänge. Befriedigt notiert der devote Kilchman in seinem Geschäftsbuche, daß 1510 zu St. Leonhard, 1510, 1513, 1514 zu St. Theodor „römische Gnade“ gewesen sei.


Was die Kirche dergestalt auf allen Gebieten ihres Lebens und Herrschens zu tun strebt, ist auf eindrückliche Weise in Bischof Caspar konzentriert. Dieser Fürst gibt damit seinem Bilde, das wir aus der politischen Geschichte kennen, neue Züge, ja eine gewisse Höhe. Er ist einer der Führer zur Devotion, rasch und heftig auch in diesen Dingen. Im selben Jahre 1488, da er für seine Geistlichen die prachtvolle Agende, ein Graduale und ein Brevier drucken läßt, verkündet er durch Urkunden vom 19. und 20. Mai Indulgenzen zu Gunsten des Münsterbaus und faßt dann diese in einem großen Erlaß vom 30. Mai nochmals zusammen, zugleich mit einer weitausgreifenden Ordnung für die Gabensammlung, das ganze Ablaßwesen der Münsterfabrik, die Baubruderschaft usw. Es ist die dokumentarische Verherrlichung der Münsterandacht, der höchsten und feierlichsten des ganzen Bistums, und einzelne Bestimmungen daraus, teilweise zur Verkündung an

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 866. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/345&oldid=- (Version vom 4.8.2020)