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die Gemeinden bestimmt, stellt Caspar seinem Diözesanklerus in gedruckter Ausfertigung zu. Rings um diese große umfassende Produktion des einen Jahres 1488 gruppiert sich eine temperamentvolle Legislative in den prächtigen Manifesten Caspars von 1482, 1485, 1490, 1491; sie geben Vorschriften über die Freitagmittagsandacht; den Gesang des Salve Regina; die Feier des Trinitatissonntags, des Fronleichnams, der visitatio und der conceptio Marie; die Verschiebung der Matutinenfeier an Mittwoch Donnerstag und Freitag der Karwoche von der Mitternacht auf die Abendstunde.


Dieser Regsamkeit der Kirche antwortet die Betätigung des Volkes, die aber zu beurteilen schwer fällt. Wir haben eine massenhaft sich äußernde Kirchlichkeit vor uns, ohne doch in dieser Menge eine starke einheitliche Macht sehen zu dürfen. Vielmehr umschließt sie die größte Mannigfaltigkeit von Verhältnissen des Einzelnen zur Kirche, wobei alle Abstufungen denkbar sind von der absoluten Herrschaft der Tradition über Glaube und Zweifel bis zu demjenigen Zustande, da sich vor der Autorität der Kirche „selbst starke innere Kritik und Beargwöhnung mit tatsächlicher Benützung des Instituts vertragen".

Als Zeichen von Religiosität darf die außerordentlich große Zahl der Andachts- und Gebetbücher gelten, die hier im Drucke verbreitet werden. Sie lassen ein Bedürfnis und die wirkliche Gewöhnung Vieler erkennen, und in der Tat bezeugt Surgant ausdrücklich, daß die Evangelien in deutscher Übersetzung von den Bürgern fleißig gelesen werden. Wir haben hiebei speziell an die Plenarien zu denken, welche die Evangelien und Episteln samt den Meßformularien auf alle Sonn- und Festtage enthielten; unter den zahlreichen Editionen dieser Bücher ausgezeichnet, sowohl durch typographische Schönheit als namentlich durch reiche Erweiterung des Inhaltes, waren die seit 1514 in Basel erscheinenden.

Aus der Ruhe solcher Lesestunden führt aber die Devotion unaufhörlich und unerbittlich hinaus in das mitteilsamere Leben der Bruderschaft, unter die Kanzeln, auf die Wallfahrt, vor die Reliquienschreine und den Tisch des Ablaßhändlers. Wie jenes Leben überhaupt, so ist die Volksfrömmigkeit jeder Erregung zugänglich und voll flimmernder Bewegung. Das Unruhige, stets eine neue Bekräftigung suchende Heilsverlangen führt bis zum Wunderbedürfnis und bis zur wirklichen Fähigkeit, auch das Übersinnliche zu schauen und das Unfaßbare zu erleben. Die meisten Wallfahrten gründen sich auf geschehene Mirakel. In der St. Albankirche steht

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 867. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/346&oldid=- (Version vom 4.8.2020)