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in der Anschauung Vieler ungeschmälert weiter, und namentlich war die Autorität des großen Konzils von Basel selbst keineswegs erschüttert. Es galt nach wie vor als Quell des Rechts und der Freiheit, zu dem man immer wieder kehrte. Wie Knebel sich in seinem Zorn über päpstliche Reservationen auf die Basler Dekrete berief, so machte der Rat 1488, da der bischöfliche Generalvikar wegen Tötung eines Kaplans das Interdikt über die Stadt verhängte, den Konzilsbeschluß von 1435 geltend, der solches Interdizieren verboten hatte. Bischof Caspars große Agende gibt sich ausdrücklich als Nachbildung der im Basler Konzil gebräuchlich gewesenen, und denkwürdig ist vollends die Publikation von Basler Konzilsdekreten 1499; der Editor dieser Sammlung, Sebastian Brant, widmet sie der Stadt selbst und feiert diese, die als Ort des Konzils wie der Universität alle andern Städte des Rheines an Ruhm übertreffe.


Weder der Kampf der weltlichen Gewalt mit der kirchlichen noch die bei Klerikern und Laien sich regende Unzufriedenheit haben, wie schon bemerkt wurde, an sich mit einem innern Verhältnis zur Kirche etwas zu tun. Was der Basler Rat 1482 dem Florentiner Ugolini sagt, daß man beim eifrigsten Verlangen nach Reform gleichwohl die besten Gesinnungen gegen den päpstlichen Stuhl hege, ist nicht nur offizielle Formel, sondern die Meinung Vieler. Die Geistlichen Andlau Heynlin Philippi streiten um so heftiger wider alle Schwächen der Disziplin und alle Laster ihrer Standesgenossen, je stärker ihre eigene Kirchlichkeit ist. Ähnlicher Art sind viele Laien, die Recht und Verfassung der Kirche ohne Weiteres anerkennen und jeden Eingriff in sie ablehnen, aber gleichwohl ihre Schäden sehen und tadeln: die Nichtsnutzigkeit von Klerikern, die Verschleuderung von Kirchengeldern, den Ablaßmißbrauch, den Unfug des Pfründenhandels usw. Sebastian Brant sitzt mitten im Pfaffenviertel und zieht los gegen Kurialen Mönche und in Sünden lebende Priester; er publiziert die Schriften Felix Hemmerlins mit ihren wilden Anklagen gegen Rom, so wie er die Basler Konzilsdekrete publiziert; aber am Dogma hält er unerschütterlich fest, und mit Heftigkeit wendet er sich wider den die Person des heiligen Vaters angreifenden Zamometiç.

Angesichts dieses Verhaltens bedeutender Männer wird uns aufs Neue bewußt, wie schwere Forderungen Rom, eine ungeheure Verantwortung auf sich ladend, an Gewissen und Denkvermögen stellte.

Aber diese Forderungen wurden in der Tat vielfach als unerfüllbar empfunden. Wir sehen Zweifel Verneinung Widerspruch sich erheben. Von

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 886. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/365&oldid=- (Version vom 4.8.2020)