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Parochieen. Es vertritt den Anspruch auf Laienbildung und schafft den Boden für die höchsten geistigen Taten. Es ist der Träger einer gesunden Kraft, die in ihrem Zuströmen nie inne hält, die auch das Entlegene heranbringt und hier zur Geltung kommen läßt. Es leistet das, was von Generation zu Generation die Grundlage der gesamten Existenz und der hauptsächliche Inhalt städtischen Lebens ist: die handwerkliche und kaufmännische Arbeit.

Aus dem ungeheuren Komplexe dieser Arbeit heben wir hier eine einzelne Tätigkeit heraus, das Kredit- und Pfandgeschäft des XIV. Jahrhunderts. Seine allgemeine Bedeutung bestand darin, daß es ein Teil des langen und gewaltigen Kampfes wider den Stadtherrn und die fürstlichen Nachbarn war. Neben die Gewalt stellte es ein vielleicht noch sicherer wirkendes, spezifisch geschäftsmännisches Verfahren. Es war ein Mittel, mit dem das Bürgertum die Herren um ihre Macht zu bringen und sich selbst Rechte und Gebiete zu erlangen vermochte.


Dem kirchlichen Verbote zum Trotz war das verzinsliche Darleihen etwas Alltägliches und bewegte sich in allen denkbaren Formen der Leihe. Neben den gewerbsmäßigen Geldgebern verdrängten die Kapitalisten die Juden aus dem großen Kreditgeschäfte.

In solchen Kapitalisten begegnet uns eine charakteristische Gruppe des damaligen Bürgertums. Zunächst sind es Achtbürger, deren Wohlstand meist durch das Handwerk und den Handel der Vorfahren oder durch eigene geschickte Handhabung des Geldes geschaffen ist; der alte reich gewordene Mercator läßt Andre reisen, und von der Auszeichnung, nicht mehr werken zu müssen, ist kein großer Schritt zu einer Standespflicht, nicht werken zu dürfen; nun ist er Stubenherr, kann aber dennoch mit Geldausleihen sich beschäftigen; auch an die schon junkerhaft gewordenen und nur in solchen Kreditoperationen noch den Geschäftsgeist des Vaters bewahrenden Söhne, ferner an Witwen, alte Jungfern und Klosterdamen aus solchen Kreisen haben wir dabei zu denken. Zu dieser Geldaristokratie gehören aber auch Rentner Händler und Gewerbsleute aus den Zünften; sie verbinden Gewerbsarbeit und Geldgeschäft; oder weil sie wünschen, den gemachten Erwerb sicher zu stellen, werden sie aus Geschäftsleuten zu reinen Kapitalisten. Sie brauchen deswegen nicht in die Hohe Stube zu gehen; eine freiere reichere Lebensführung, eine selbständigere Haltung, eine entschiedene Fähigkeit kann sie auch ohne Stubengenössigkeit jenen Patriziern gesellen, deren Konkurrenten im Geldgeschäfte sie sind.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 889. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/368&oldid=- (Version vom 4.8.2020)